Albert Einstein - WordPress

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414Albert Einstein: Mein WeltbildEinstein-WeltbildAlbert EinsteinMein WeltbildHerausgegeben von Carl Seelig

415Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 7IWie ich die Welt seheWie ich die Welt seheWie merkwürdig ist die Situation von uns Erdenkindern! Für einen kurzen Besuch ist jeder da. Er weißnicht wofür, aber manchmal glaubt er, es zu fühlen.Vom Standpunkt des täglichen Lebens ohne tiefereReflexion weiß man aber: man ist da für die anderenMenschen – zunächst für diejenigen, von deren Lächeln und Wohlsein das eigene Glück völlig abhängig ist, dann aber auch für die vielen Ungekannten,mit deren Schicksal uns ein Band des Mitfühlens verknüpft. Jeden Tag denke ich unzählige Male daran,daß mein äußeres und inneres Leben auf der Arbeitder jetzigen und der schon verstorbenen Menschenberuht, daß ich mich anstrengen muß, um zu gebenim gleichen Ausmaß, wie ich empfangen habe undnoch empfange. Ich habe das Bedürfnis nach Genügsamkeit und habe oft das drückende Bewußtsein,mehr als nötig von der Arbeit meiner Mitmenschenzu beanspruchen. Die sozialen Klassenunterschiedeempfinde ich nicht als gerechtfertigt und letztenEndes als auf Gewalt beruhend. Auch glaube ich, daßein schlichtes und anspruchsloses äußeres Leben für

416Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 8jeden gut ist, für Körper und Geist.An Freiheit des Menschen im philosophischenSinne glaube ich keineswegs. Jeder handelt nicht nurunter äußerem Zwang, sondern auch gemäß innererNotwendigkeit. Schopenhauers Spruch: »Ein Menschkann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was erwill«, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfülltund ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten des Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz. Dieses Bewußtsein mildert in wohltuender Weise das leicht lähmendwirkende Verantwortungsgefühl und macht, daß wiruns selbst und die andern nicht gar zu ernst nehmen;es führt zu einer Lebensauffassung, die auch besonders dem Humor sein Recht läßt.Nach dem Sinn oder Zweck des eigenen Daseinssowie des Daseins der Geschöpfe überhaupt zu fragen, ist mir von einem objektiven Standpunkt ausstets sinnlos erschienen. Und doch hat andererseitsjeder Mensch gewisse Ideale, die ihm richtunggebendsind für das Streben und für das Urteilen. In diesemSinn ist mir Behagen und Glück nie als Selbstzweckerschienen (ich nenne diese ethische Basis auch Idealder Schweineherde). Meine Ideale, die mir voranleuchteten und mich mit frohem Lebensmut immerwieder erfüllten, waren Güte, Schönheit und Wahrheit. Ohne das Gefühl von Übereinstimmung mit

417Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 8Gleichgesinnten, ohne die Beschäftigung mit demObjektiven, dem ewig Unerreichbaren auf dem Gebietder Kunst und des wissenschaftlichen Forschens wäremir das Leben leer erschienen. Die banalen Zielemenschlichen Strebens: Besitz, äußerer Erfolg,Luxus, erschienen mir seit meinen jungen Jahren verächtlich.Mein leidenschaftlicher Sinn für soziale Gerechtigkeit und soziale Verpflichtung stand stets in einem eigentümlichen Gegensatz zu einem ausgesprochenenMängel an unmittelbarem Anschlußbedürfnis anMenschen und an menschliche Gemeinschaften. Ichbin ein richtiger »Einspänner«, der dem Staat, derHeimat, dem Freundeskreis, ja, selbst der engeren Familie nie mit ganzem Herzen angehört hat, sondernall diesen Bindungen gegenüber ein nie sich legendesGefühl der Fremdheit und des Bedürfnisses nach Einsamkeit empfunden hat, ein Gefühl, das sich mit demLebensalter noch steigert. Man empfindet scharf, aberohne Bedauern die Grenze der Verständigung undKonsonanz mit anderen Menschen. Wohl verliert einsolcher Mensch einen Teil der Harmlosigkeit und desUnbekümmertseins, aber er ist dafür von den Meinungen, Gewohnheiten und Urteilen der Mitmenschenweitgehend unabhängig und kommt nicht in die Versuchung, sein Gleichgewicht auf solch unsolideGrundlage zu stellen.

418Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 9Mein politisches Ideal ist das demokratische. Jedersoll als Person respektiert und keiner vergöttert sein.Eine Ironie des Schicksals, daß die andern Menschenmir selbst viel zuviel Bewunderung und Verehrungentgegengebracht haben, ohne meine Schuld undohne mein Verdienst. Es mag wohl von dem für vieleunerfüllbaren Wunsch herrühren, die paar Gedankenzu verstehen, die ich mit meinen schwachen Kräftenin unablässigem Ringen gefunden habe. Ich weißzwar sehr wohl, daß es zur Erreichung jedes organisatorischen Zieles nötig ist, daß einer denke, anordneund im Großen die Verantwortung trage. Aber dieGeführten sollen nicht gezwungen sein, sondern denFührer wählen können. Ein autokratisches System desZwanges degeneriert nach meiner Überzeugung inkurzer Zeit. Denn Gewalt zieht stets moralisch Minderwertige an, und es ist nach meiner ÜberzeugungGesetz, daß geniale Tyrannen Schurken als Nachfolger haben. Aus diesem Grunde bin ich stets leidenschaftlicher Gegner solcher Systeme gewesen, wiewir es heute in Italien und Rußland erleben. Was dieim gegenwärtigen Europa herrschende demokratischeForm in Mißkredit gebracht hat, ist nicht der demokratischen Grundidee zur Last zu legen, sondern demMangel an Stabilität der Spitzen der Regierungen unddem unpersönlichen Charakter des Wahlmodus. Ichglaube aber, daß die Vereinigten Staaten von Nord-

419Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 9amerika in dieser Beziehung das Richtige getroffenhaben: sie haben nämlich einen auf genügend langeZeit gewählten, verantwortlichen Präsidenten, dergenug Macht hat, um tatsächlich Träger der Verantwortung zu sein. Dagegen schätze ich an unseremStaatsbetrieb die weitergehende Fürsorge für das Individuum im Falle von Krankheit und Not. Als daseigentlich Wertvolle im menschlichen Getriebe empfinde ich nicht den Staat, sondern das schöpferischeund fühlende Individuum, die Persönlichkeit: sie allein schafft das Edle und Sublime, während die Herdeals solche stumpf im Denken und stumpf im Fühlenbleibt.Bei diesem Gegenstand komme ich auf dieschlimmste Ausgeburt des Herdenwesens zu reden:auf das mir verhaßte Militär! Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat seingroßes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihndas Rückenmark schon völlig genügen würde. DiesenSchandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wiemöglich zum Verschwinden bringen. Heldentum aufKommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemeinund verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchtemich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich aneinem so elenden Tun beteiligen! Ich denke immerhin

420Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 10so gut von der Menschheit, daß ich glaube, dieserSpuk wäre schon längst verschwunden, wenn der gesunde Sinn der Völker nicht von geschäftlichen undpolitischen Interessenten durch Schule und Presse systematisch korrumpiert würde.Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an derWiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht.Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern,nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot undsein Auge erloschen. Das Erlebnis des Geheimnisvollen – wenn auch mit Furcht gemischt – hat auch dieReligion gezeugt. Das Wissen um die Existenz desfür uns Undurchdringlichen, der Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind, dies Wissen und Fühlen macht wahreReligiosität aus; in diesem Sinn und nur in diesemgehöre ich zu den tief religiösen Menschen. EinenGott, der die Objekte seines Schaffens belohnt undbestraft, der überhaupt einen Willen hat nach Artdesjenigen, den wir an uns selbst erleben, kann ichmir nicht einbilden. Auch ein Individuum, das seinenkörperlichen Tod überdauert, mag und kann ich mirnicht denken; mögen schwache Seelen aus Angst oderlächerlichem Egoismus solche Gedanken nähren. Mirgenügt das Mysterium der Ewigkeit des Lebens und

421Wie ich die Welt seheEinstein-Weltbild, 10das Bewußtsein und die Ahnung von dem wunderbaren Bau des Seienden sowie das ergebene Strebennach dem Begreifen eines noch so winzigen Teilesder in der Natur sich manifestierenden Vernunft.

422Vom Sinn des LebensEinstein-Weltbild, 10Vom Sinn des LebensWelches ist der Sinn unseres Lebens, welches derSinn des Lebens aller Lebewesen überhaupt? EineAntwort auf diese Frage wissen, heißt religiös sein.Du fragst: Hat es denn überhaupt einen Sinn, dieseFrage zu stellen? Ich antworte: Wer sein eigenesLeben und das seiner Mitmenschen als sinnlos empfindet, der ist nicht nur unglücklich, sondern auchkaum lebensfähig.

423Der wahre Wert eines MenschenEinstein-Weltbild, 10Der wahre Wert eines Menschenist in erster Linie dadurch bestimmt, in welchemGrad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom Ichgelangt ist.

424Vom ReichtumEinstein-Weltbild, 11Vom ReichtumIch bin fest davon durchdrungen, daß keine Reichtümer der Welt die Menschheit weiterbringen können,auch nicht in der Hand eines dem Ziele noch so ergebenen Menschen. Nur das Beispiel großer und reinerPersönlichkeiten kann zu edlen Auffassungen undTaten führen. Das Geld zieht nur den Eigennutz anund verführt stets unwiderstehlich zum Mißbrauch.Kann sich jemand Moses, Jesus oder Gandhi bewaffnet mit Carnegies Geldsack vorstellen?

425Gemeinschaft und PersönlichkeitEinstein-Weltbild, 11Gemeinschaft und PersönlichkeitWenn wir über unser Leben und Streben nachdenken,so bemerken wir bald, daß fast all unser Tun undWünschen an die Existenz anderer Menschen gebunden ist. Wir bemerken, daß wir unserer ganzen Artnach den gesellig lebenden Tieren ähnlich sind. Wiressen Speisen, die von anderen Menschen erzeugtsind, wir tragen Kleidungsstücke, die andere Menschen hergestellt haben, und bewohnen Häuser, dieandere Menschen gebaut haben. Das meiste, was wirwissen und glauben, haben uns andere Menschen mitgeteilt mittels einer Sprache, die andere geschaffenhaben. Unser Denkvermögen wäre ohne Sprache garärmlich, dem der höheren Tiere vergleichbar, so daßwir wohl gestehen müssen, daß wir dasjenige, waswir vor den Tieren in erster Linie voraushaben, unserem Leben in menschlicher Gemeinschaft zu verdanken haben. Der einzelne – von Geburt an allein gelassen – würde in seinem Denken und Fühlen tierähnlich-primitiv bleiben in einem Maß, das wir uns nurschwer Vorzustellen vermögen. Was der einzelne istund bedeutet, ist er nicht so sehr als Einzelgeschöpf,sondern als Glied einer großen menschlichen Gemeinschaft, die sein materielles und seelisches Daseinvon der Geburt bis zum Tod leitet.

426Gemeinschaft und PersönlichkeitEinstein-Weltbild, 12Was ein Mensch für seine Gemeinschaft wert ist,hängt in erster Linie davon ab, inwieweit sein Fühlen, Denken und Handeln auf die Förderung des Daseins anderer Menschen gerichtet ist. Je nach der Einstellung eines Menschen in dieser Beziehung pflegenwir ihn als gut oder schlecht zu bezeichnen. Es siehtauf den ersten Blick so aus, wie wenn die sozialenEigenschaften eines Menschen allein für seine Beurteilung maßgebend wären.Und doch wäre eine solche Auffassung nicht richtig. Es läßt sich leicht erkennen, daß alle die materiellen, geistigen und moralischen Güter, die wir vonder Gesellschaft empfangen, im Lauf der unzähligenGenerationen von schöpferischen Einzelpersönlichkeiten herstammen. Einer hat einmal den Gebrauchdes Feuers, einer den Anbau von Nährpflanzen, einerdie Dampfmaschine erfunden.Nur das einzelne Individuum kann denken und dadurch für die Gesellschaft neue Werte schaffen, jaselbst neue moralische Normen aufstellen, nach welchen sich das Leben der Gemeinschaft vollzieht.Ohne schöpferische, selbständig denkende und urteilende Persönlichkeiten ist eine Höherentwicklung derGesellschaft ebensowenig denkbar wie die Entwicklung der einzelnen Persönlichkeit ohne den Nährboden der Gemeinschaft.Eine gesunde Gesellschaft ist also ebenso an Selb-

427Gemeinschaft und PersönlichkeitEinstein-Weltbild, 12ständigkeit der Individuen geknüpft wie an deren innige soziale Verbundenheit. Es ist mit viel Berechtigung gesagt worden, daß die griechisch-europäischamerikanische Kultur überhaupt, im besonderen dieKulturblüte der die Stagnation des Mittelalters in Europa ablösenden italienischen Renaissance, auf derBefreiung und auf der relativen Isolierung des Individuums beruhe.Blicken wir nun auf die Zeit, in der wir leben! Wiesteht es mit der Gemeinschaft, wie mit der Persönlichkeit? Die Bevölkerung in den Kulturländern istgegenüber früheren Zeiten ungemein dicht; Europabeherbergt heute ungefähr dreimal soviel Menschenals vor hundert Jahren. Aber die Zahl der Führernaturen hat unverhältnismäßig abgenommen. Nur wenigeMenschen sind durch ihre produktive Leistung denMassen als Persönlichkeiten bekannt. Organisationhat bis zu einem gewissen Maße die Führernaturenersetzt, besonders auf dem Gebiet der Technik, aberin einem recht fühlbaren Grad auch auf dem Gebietder Wissenschaft.Besonders empfindlich macht sich der Mangel anIndividualitäten auf dem Gebiet der Kunst bemerkbar. Malerei und Musik sind deutlich degeneriert undhaben ihre Resonanz im Volke weitgehend verloren.In der Politik fehlt es nicht nur an Führern, sonderndie geistige Selbständigkeit und das Rechtsgefühl des

428Gemeinschaft und PersönlichkeitEinstein-Weltbild, 13Bürges sind weitgehend gesunken. Die demokratische, parlamentarische Organisation, welche eine solche Selbständigkeit zur Voraussetzung hat, ist an vielen Orten ins Wanken geraten; Diktaturen sind entstanden und werden geduldet, weil das Gefühl für dieWürde und das Recht der Persönlichkeit nicht mehrgenügend lebendig ist. In zwei Wochen kann durchdie Zeitungen die urteilslose Menge in irgendeinemLande in einen Zustand solcher Wut und Aufregungversetzt werden, daß die Männer bereit sind, als Soldaten gekleidet zu töten und sich töten zu lassen fürdie nichtswürdigen Ziele irgendwelcher Interessenten.Die militärische Dienstpflicht scheint mir das beschämendste Symptom für den Mangel an persönlicherWürde zu sein, unter dem unsere Kulturmenschheitheute leidet. Dementsprechend fehlt es nicht an Propheten, welche unserer Kultur den baldigen Untergang prophezeien. Ich gehöre nicht zu diesen Pessimisten, sondern glaube an eine bessere Zukunft.Diese Zuversicht möchte ich noch kurz begründen:Die gegenwärtigen Verfallserscheinungen beruhennach meiner Meinung darauf, daß die Entwicklungder Wirtschaft und Technik den Daseinskampf derMenschen sehr verschärft hat, so daß die freie Entwicklung der Individuen schweren Schaden gelittenhat. Die Entwicklung der Technik fordert aber vondem Individuum immer weniger Arbeit für die Befrie-

429Gemeinschaft und PersönlichkeitEinstein-Weltbild, 13digung des Bedarfs der Gesamtheit. Eine planvolleVerteilung der Arbeit wird immer mehr zur gebieterischen Notwendigkeit, und diese Verteilung wird zueiner materiellen Sicherung der Individuen führen.Diese Sicherung aber sowie die freie Zeit und Kraft,die dem Individuum übrigbleiben werden, vermögender Entwicklung der Persönlichkeit günstig zu sein.So kann die Gemeinschaft wieder gesunden, und wirwollen hoffen, daß spätere Historiker die sozialenKrankheitserscheinungen unserer Zeit als Kinderkrankheiten einer höherstrebenden Menschheit deutenwerden, die lediglich durch zu rasches Tempo desKulturprozesses veranlaßt waren.

430Der Staat und das individuelle GewissenEinstein-Weltbild, 14Der Staat und das individuelle GewissenEs ist eine uralte Frage: Wie soll sich der Menschverhalten, wenn der Staat ihm Handlungen vorschreibt, die Gesellschaft von ihm eine Haltung erwartet, die das eigene Gewissen als unrecht verwirft?Die Antwort liegt nahe: Du bist völlig abhängigvon der Gesellschaft, in der du lebst. Du mußt dichdeshalb ihren Vorschriften unterwerfen. Du kannstnicht für solche Handlungen verantwortlich gemachtwerden, die unter unwiderstehlichem Zwang zustandekommen.Man braucht dies nur deutlich auszusprechen, umzu bemerken, wie sehr eine solche Auffassung demnormalen Rechtsgefühl widerstreitet. Äußerer Zwangkann die Verantwortung des Individuums in gewissem Sinne mildern, aber nicht aufheben. Bei Gelegenheit der Nürnberger Prozesse hat man diesenStandpunkt gewissermaßen als selbstverständlich eingenommen.Was an unseren Institutionen, Gesetzen und Sittenmoralisch wertvoll ist, stammt aus den Äußerungendes Rechtsgefühls zahlloser Individuen. Einrichtungen sind im moralischen Sinn ohnmächtig, wenn sienicht durch das Verantwortungsgefühl lebendiger Individuen gestützt und getragen werden.

431Der Staat und das individuelle GewissenEinstein-Weltbild, 14Das Bestreben, das moralische Verantwortungsgefühl der Individuen zu wecken und zu stützen, istdaher wichtiger Dienst an der Gesamtheit.In unserer Zeit lastet auf den Vertretern der Naturwissenschaften und auf den Ingenieuren eine besonders große moralische Verantwortung, da die Entwicklung der Werkzeuge militärischer Massenvernichtung in das Gebiet ihrer Tätigkeit fällt. Deshalberscheint mir die Gründung einer »Society for SocialResponsibility in Science«, einem wahren Bedürfniszu entsprechen. Solche Vereinigung erleichtert esdurch Diskussion der Probleme dem einzelnen, sichzu einem selbständigen Urteil durchzuringen über denvon ihm zu wählenden Weg. Ferner ist gegenseitigeHilfe derer dringend nötig, die dadurch in eineschwierige Lage kommen, daß sie der Stimme ihresGewissens folgen.

432Gut und BöseEinstein-Weltbild, 14Gut und BöseEs ist im Prinzip richtig, daß denen die meiste Liebeentgegengebracht werden soll, die zur Veredelung derMenschen und des menschlichen Lebens am meistenbeigetragen haben. Wenn man aber weiter fragt, wasfür Menschen das seien, gerät man in nicht geringeSchwierigkeiten. Bei den politischen, ja, sogar beiden religiösen Führern ist es meist recht zweifelhaft,ob sie mehr Gutes oder Schlechtes bewirkt haben. Ichglaube daher allen Ernstes, daß man den Menschenam besten dient, indem man sie mit einer edlen Sachebeschäftigt und dadurch indirekt veredelt. Dies gilt inerster Linie von den bedeutenden Künstlern, in zweiter Linie aber auch von den Forschern. Es ist richtig,daß die Ergebnisse der Forschung den Menschennicht veredeln und bereichern, wohl aber das Strebennach dem Verstehen, die produktive und rezeptivegeistige Arbeit. So wäre es doch gewiß auch schlechtangebracht, wenn man den Wert des Talmud nachseinen intellektuellen Ergebnissen beurteilen wollte!

433Religion und WissenschaftEinstein-Weltbild, 15Religion und WissenschaftAlles, was von den Menschen getan und erdachtwird, gilt der Befriedigung gefühlter Bedürfnissesowie der Stillung von Schmerzen. Dies muß mansich immer vor Augen halten, wenn man geistige Bewegungen und ihre Entwicklung verstehen will. DennFühlen und Sehnen sind der Motor alles menschlichen Strebens und Erzeugens, mag sich uns letzteresauch noch so erhaben darstellen. Welches sind nundie Gefühle und Bedürfnisse, welche die Menschenzu religiösem Denken und zum Glauben im weitestenSinne gebracht haben? Wenn wir hierüber nachdenken, so sehen wir bald, daß an der Wiege des religiösen Denkens und Erlebens die verschiedensten Gefühle stehen. Beim Primitiven ist es in erster Liniedie Furcht, die religiöse Vorstellungen hervorruft.Furcht vor Hunger, wilden Tieren, Krankheit, Tod.Da auf dieser Stufe des Daseins die Einsicht in diekausalen Zusammenhänge gering zu sein pflegt, spiegelt uns der menschliche Geist selbst mehr oder minder analoge Wesen vor, von deren Wollen und Wirken die gefürchteten Erlebnisse abhängen. Man denktnun, die Gesinnung jener Wesen sich günstig zustimmen, indem man Handlungen begeht und Opferbringt, welche nach dem von Geschlecht zu Ge-

434Religion und WissenschaftEinstein-Weltbild, 16schlecht überlieferten Glauben jene Wesen besänftigen bzw. dem Menschen geneigt machen. Ich sprechein diesem Sinne von Furcht-Religion. Diese wirdnicht erzeugt, aber doch wesentlich stabilisiert durchdie Bildung einer besonderen Priesterkaste, welchesich als Mittlerin zwischen den gefü

Albert Einstein Mein Weltbild Herausgegeben von Carl Seelig. 415 Wie ich die Welt sehe Einstein-Weltbild, 7 I Wie ich die Welt sehe Wie ich die Welt sehe Wie merkwürdig ist die Situation von uns Erdenkin-dern! Für einen kurzen Besuch ist jeder da. Er weiß

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