Märchen, Mythen Und Metaphern Als Türöffner Für Eine Erfolgreiche Beratung

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Astrid HaltmeyerMatr.Nr. 08827148Märchen, Mythen und Metaphern Türöffner zu einer erfolgreichenpsychologischen BeratungMasterarbeitzur Erlangung des akademischen Grades einesMaster of Scienceim Rahmen des UniversitätslehrgangesPsychosoziale Beratung Masterupgrade WienWissenschaftliche/r BegutachterIn: Univ Doz. DDr. Barbara FriehsKarl-Franzens-Universität Grazund UNI for LIFEWien, September 20211

1 DanksagungIch möchte hiermit allen jenen meinen Dank aussprechen, die mich bei derEntscheidung, diesen Weg zu gehen, unterstützt haben.Allen voran mein Lebensgefährte Roman Storm und meine Schwester Andrea Spitaler,die als erste von meinem Entschluss, diesen Lehrgang zu absolvieren und das Studiumzu beenden, wussten.Weiterer großer Dank gilt meiner lieben Freundin und Kollegin Dr. Gudrun Adelsberger,die mich geduldig und mit liebevoller Strenge durch den Masterthesis-Dschungel geführthat. Ohne ihre Unterstützung würde dieses Werk heute nicht in dieser Form vorliegen.Herzliche Danksagung ergeht auch an alle meine InterviewpartnerInnen, die so schnellund begeistert bereit waren, sich für diese Arbeit zur Verfügung zu stellen und mich sehrinspiriert haben. Es ist ein wunderbares Gefühl, solche Freunde zu haben.Ich widme diese Arbeit und den damit einhergehenden Titel meinen Eltern, die nie denAnspruch an mich gestellt haben, zu studieren und sich jetzt daran erfreuen können, mitmir die erste Akademikerin in der Familie zu haben.2

2 AbstractPsychologische Beratung bzw. Psychotherapie ist in unseren Breiten nach wie vor ehernegativ besetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig, auffallend jedoch ist, dass, egal, ob schonjemals eine derartige Beratung in Anspruch genommen wurde oder nicht, die Sitzungenals leidvoll, langweilig, mühsam und manchmal sogar peinlich beschrieben werden. ImRahmen dieser Arbeit wird untersucht, ob die KlientInnen nicht besser beraten wären,wenn sie ihre Veränderungsarbeit als spannend und interessant, sowie im Einklang mitangenehmen Gefühlen, die sie mit ihrer Kindheit in Verbindung bringen, erleben serinderqualitativenForschungsmethode und befragte zehn potenzielle KlietInnen zum Einsatz von Märchen,Mythen und Metaphern im Rahmen der psychologischen Beratung. Die Interviews wurdennach der Transkription einer inhaltlichen Analyse unterzogen, deren Ergebnis ein überaushohes Maß an Zustimmung für diese Methode erbrachte. Richtig eingesetzt, könnte diesedazu beitragen, dass mehr Menschen mit psychischen Thematiken den Gang zurBeratung wagen.In Austria, Psychological Counseling respectively Psychotherapy is still considerednegatively. The reasons for that are varied. It is noticeable that the counseling sessionsare perceived as painful, boring and sometimes as embarrassing even when the personnever took advantage of a psychological counseling. The research of this master thesisexamines if coaching clients would be better counseled if they find their changing processexciting and interesting, responding to their emotions in childhood.To find that out the author used the qualitative research method and made a survey withten potential clients if fairy tales, myths and metaphors in a counseling session. Aftertranscription oft he interviews the analysis oft he content showed a great approval of themethod. Correctly used could this method help that people with psycological problemsdare to consult a counselor or therapist more likely.3

3 Eidesstattliche ErklärungIch bestätige hiermit an Eides statt mit meiner Unterschrift, dass die vorliegendeMasterthesis mit dem Titel „Märchen, Mythen und Metaphern – Türöffner zu einererfolgreichen psychologischen Beratung“ selbst und eigenständig verfasst wurde. DerInhalt beruht ausschließlich auf meinen eigenen Gedanken undForschungsergebnissen.Astrid Haltmeyer4

4 Inhaltsverzeichnis1Danksagung . 22Abstract . 33Eidesstattliche Erklärung . 44Inhaltsverzeichnis . 55Einleitung . 76Theoretischer Teil . 106.16.1.1Etymologie . 126.1.2Charakteristika eines Märchens . 156.1.3Aufbau eines Märchens . 196.2Mythen . 206.2.1Etymologie . 206.2.2Exkurs: Personenmythen . 216.2.3Charakteristika eines Mythos . 246.2.4Aufbau eines Mythos . 266.3Metaphern. 286.3.1Etymologie . 286.3.2Charakteristika einer Metapher . 306.3.3Aufbau einer Metapher . 316.47Märchen . 12Märchen, Mythen und Metaphern in der psychosozialen Beratung . 346.4.1Voraussetzungen für den Einsatz. 356.4.2Liebe, Respekt und Wertschätzung . 366.4.3Vorliebe . 376.4.4BerateInnenkompetenzen . 376.4.5Vorteile der Anwendung . 39Empirischer Teil . 437.1.1 . 437.1.2Forschungsdesign . 435

7.1.3Forschungsgruppe . 437.1.4Durchführung . 447.1.5Fragebogen . 447.1.6Auswertung . 457.1.7Vertrautheit der Begriffe . 467.1.8Affinität zu Märchen, Mythen und Metaphern . 497.1.9Lieblingsmärchen. 547.1.10Identifikation mit HeldInnen aus Märchen, Mythen und Metaphern . 577.1.11Realitätsbezug . 617.1.12Vorbildwirkung von HeldInnen . 657.1.13Märchen, Mythen und Metaphern als Hilfestellung im Leben . 667.1.14Die Lehre aus Märchen, Mythen und Metaphern . 687.1.15Einsatz von Märchen, Mythen und Metaphern in der Beratung . 727.1.16Grenzen für den Einsatz von Märchen, Mythen und Metaphern . 767.1.17Einschränkungen bei den Altersgruppen . 787.1.18Wichtigkeit der BeraterInnenkompetenzen . 798Conclusio . 829Ausblick . 8510Literaturverzeichnis . 8611Weblinkverzeichnis . 8812Abbildungsverzeichnis . 8913Abkürzungsverzeichnis . 906

5 Einleitung„Es war einmal “1 Diese drei Worte wirken fast wie ein Zauberspruch. Sie könnenMenschen in Sekundenbruchteilen in einen anderen Gefühlszustand versetzen.Vielleicht liegt das daran, dass wir dadurch an Momente in unserer Kindheit erinnertwerden, als uns Märchen und Mythen erzählt wurden. Gemeinsam mit dem/der Erzähler/in durchlebten wir die manchmal durchaus beängstigenden Abenteuer der Hauptfigur,wissend, dass diese am Ende die Herausforderungen meistern wird. Sie sprechen dieunschuldige Kinderseele an, die auch noch als Erwachsener in uns wohnt.Märchen und Mythen entführen uns in geheimnisvolle Welten, in welchen Wunder undMagie etwas Alltägliches sind, die Lösungen eines Themas möglich machen, wo wir nichtmehr damit gerechnet haben. Sie lassen Hoffnungen entstehen und die Möglichkeit, überuns selbst hinaus zu wachsen.Für mich selbst waren zeitlebens Märchen, Mythen und Metaphern eine gangbareLebenshilfe und das hauptsächlich in Form von Büchern, mehr jedoch noch in Form vonFilmen. Es fiel und fällt mir leicht, Parallelen zum eigenen Leben in den auf Zelluloidgebannten Geschichten zu finden und mich daran zu orientieren. So orientierte ich michin Zeiten geringen Selbstbewusstseins an Geschichten über starke Frauen, wie Mulanoder Elizabeth I und Ähnlicher und deren Umgang mit schwierigen Situationen.In meiner Arbeit als psychologische Beraterin habe ich deshalb diese Fähigkeit auf dieProbleme meiner KlientInnen anzuwenden begonnen und dabei interessante Reaktionenerlebt. Auch in meinen Seminaren konnte ich feststellen, dass eine erzählte Metapheroder ein Filmausschnitt eine zu lernende Thematik oft besser erklärt als jedestheoretische Konzept. Die Lerninhalte werden nicht nur schneller aufgenommen, sondernauch viel besser erinnert. Abgesehen davon bringt die Verwendung von Märchen, Mythenund Metaphern eine ganz besondere Atmosphäre bis hin zum Humor in den Kontext,sodass dieser als angenehm empfunden wird.1GRIMM, Brüder: Kinder- und Hausmärchen, Band 1, Stuttgart 1980, S 258.7

Ein Beispiel:Eine verheiratete Klientin mittleren Alters steckte in einer Lebensveränderungskrise. Ihreerwachsenen Kinder hatten gerade das Haus verlassen, und ihr wurde bewusst, dass ihreMutterrolle nicht mehr so viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Ihren Mann bezeichnetesie als ihren besten Freund, doch schien es mehr Dankbarkeit als Liebe, was die beidenzusammenhielt. Sie brauchte nicht zu arbeiten, also betrachtete sie ihr Leben nur alswenig erfüllt. Auf einer Weiterbildung lernte sie einen Mann kennen, der gänzlich andersgestrickt war als ihr Ehemann. Die beiden begannen eine Affäre und waren verliebt wie17jährige. Schon bald stellte sich die Frage, ob sie für diesen Mann ihren Ehemannverlassen sollte und ein neues, aufregenderes Leben beginnen sollte.An diesem Punkt kam sie zu mir in die Beratung. Einige Sitzungen arbeiteten wir anWerten und Einstellungen, an ihren Rollenbildern usw. Doch irgendwie hatte ich immerdas Gefühl, dass es da Punkte in ihrem Leben gab, wo sie sich nicht traute, hinzuschauen. Schließlich gab ich ihr eine Aufgabe mit nach Hause. Sie sollte sich den Film„The Bridges of Madison County“ („Die Brücken am Fluss“) anschauen.Die im Film erzählte Geschichte wies viele Parallelen zu ihrem eigenen Leben auf undbeleuchtete Aspekte, die sie mir in den Sitzungen offenbar nicht erzählen wollte oderkonnte. In der nächsten Beratungsstunde sagte sie mir, dass ihr durch dieAuseinandersetzung mit dem Film klar geworden sei, was sie so lange nicht sehen undhören hatte wollen.In dieser Arbeit will ich untersuchen, ob und in welcher Form Märchen, Mythen undMetaphern tatsächlich die Lösungsfindung erleichtern können und somit zu einemschnelleren, nachhaltigen Beratungsergebnis führen können.Das Ziel ist es, BeraterInnen und TherapeutInnen ein Segment zu öffnen, das deren Arbeitmit KlientInnen erleichtert und schneller einen Zugang zu deren Problemverständnis zuerreicht. Nicht umsonst ist das Genre der Fantasy/Sci-Fi-Bücher, -filme, -serien und computerspiele einer der größten Märkte der Welt. Dies als BeraterIn zu ignorieren bzw.nicht zu nützen, wäre vergleichbar mit auf die Nutzung von Schraubenziehern zu8

verzichten, weil ich entweder mit der Anwendung derselben nicht vertraut bin oderSchraubenziehern an sich skeptisch gegenüberstehe.Gemäß eines Internetartikels von NewFinance.today2 zählen „Der Herr der Ringe“ vonJ.R.R. Tolkien und „Harry Potter“ von J. K. Rowling – beide aus dem Fantasy-Genre nach der Bibel zu den meist-verkauften Bücher der Welt.Dass Märchen etwas in uns – speziell in Kindern – auslösen, ist schon sehr lange bekannt,denn Jacob Grimm (1785 – 1863) drückte es einmal in einer Rede so aus:„Es geht durch die Märchendichtung innerlich dieselbe Reinheit, um derentwillen unsKinder so wunderbar und selig erscheinen. Kindermärchen sollen erzählt werden, damitin ihrem hellen und reinen Lichte die ersten Gedanken und Kräfte des Herzensaufwachen und wachsen.“3Mit den vorliegenden Ergebnissen ist es andenkbar, einen neuen Beratungsansatz fürLebens- und SozialberaterInnen sowie PsychotherapeutInnen zu entwickeln, der dieFantasie der zu Beratenden anregen und sie zurück zu positiven Kindheitsgefühlen führensoll, ohne dabei tiefenpsychologisch zu wirken. Wie die Untersuchung zeigen wird,würden sich Ratsuchende eher einen Film als „Hausübung“ ansehen, als komplizierteAffirmationen auszuarbeiten, unangenehme Situationen im Kopf durchzuspielen und soweiter. Der neue Ansatz könnte Beratungen bzw. Therapien mit einem angenehmerenGefühl verbinden, sodass die Entscheidung, nun doch psychologische Hilfe anzunehmen,wesentlich leichter fälltVon: Redaktionsteam, 23. April 2017 echer-allerzeiten/, Letzter Zugriff 18.03.2021, 20213 https://www.aphorismen.de/suche?f autor 1546 Jacob Grimm. Abgerufen am 16.07.2021, 202129

6 Theoretischer TeilDer theoretische Teil dieser Forschung beschäftigt sich einerseits mit der Herkunft undVerwurzelung der Gattungen Märchen, Mythen und Metaphern im allgemeinenBewusstsein des/der Einzelnen und in der Gesellschaft und andererseits mit derHypothese, dass diese Geschichten, wenn sie im Rahmen der Beratungssitzung richtigangewendet werden, die KlientInnen schneller und einfacher ohne leidvolles Hintasten zueiner gangbaren Lösung ihres Themas finden.Jede/-r Erwachsene im deutschsprachigen Raum wird wissen, was gemeint ist, wennjemand nach einem Streit erzählt, dass eine Person vor Ärger gehüpft sei wie dasRumpelstilzchen (vgl. Rumpelstilzchen4), selbst wenn der-/diejenige das Märchen nichtzur Gänze kennt.Ebenso hat der Begriff „Odyssee“5 für einen hürdenreichen Weg zu einem Ziel schon al), wenn auch nicht jedermann den Mythosdes Helden Odysseus6 jemals gelesen oder gehört hat.Was Metaphern angeht, so sind sie in der Alltagssprache derart manifestiert, dass wir sieals solche gar nicht mehr wahrnehmen. Wie an späterer Stelle noch eingehend ausgeführtwird, zeichnen Metaphern ein viel deutlicheres Bild für einen sprachlichen Ausdruck zumbesseren Verständnis. Obwohl wir uns auch unter dem Begriff „sehr langsam“ etwasvorstellen können, verleiht uns die Metapher „im Schneckentempo“ ein eindringlicheresSzenario. (vgl. iters soll der Zusammenhang zwischen Märchen, Mythen und Metaphern undPsychologie beleuchtet werden.RÖLLECKE, Heinz: Die älteste Märchensammlung der Gebrüder Grimm. Cologny-Geneve 1975. S.238ff.5 RÖLLECKE, Heinz: Die älteste Märchensammlung der Gebrüder Grimm. Cologny-Geneve 1975. S.238ff.6 HOMER: Die Odyssee. Hamburg 1986, S. 1 ff.410

Die Verwendung von Märchen, Mythen und Metaphern in der psychosozialen Beratungscheint zunächst – gerade, wenn es um die Beratung von Erwachsenen geht –befremdlich zu sein, vermutet man sie doch mehr in der Kinderberatung bzw.Kindertherapie. Meine Erfahrungen im Erwachsenencoaching der letzten beidenJahrzehnte zeigen jedoch, dass sich erwachsene Personen insgeheim sehr oft nach demWunderbaren sehnen. Ein Klient sagte einmal zu mir auf meine Frage, was ich für ihn tunkönne: „Vollbringen Sie ein Wunder.“ Damit konnte ich nicht dienen. Doch sein Wunsch,dass die Beratung etwas Wunderbares beinhalten und bewirken soll, zeigt, dass eineAffinität zu Märchen, Mythen und Metaphern vorhanden ist.Sich einem/-r Berater/in anzuvertrauen, erfordert bereits einiges an Mut und auchLeidensdruck. Jede/-r Klient/-in sucht den/die Berater/-in in der Hoffnung auf möglichstschmerzfreie Lösung seines/ihres Themas auf. Bis dahin hat er/sie schon einigesunternommen, um seine/ihrer Situation in den Griff zu bekommen. Alle diese Unterfangenhaben sich vermutlich nicht allzu sehr von seinem Alltag unterschieden.Der Gang zum/zur Berater/-in ist somit etwas Nichtalltägliches. So wie von einemMärchen erwartet wird, dass Nichtalltägliches passiert, wie auf den nächsten Seiten nocherläutert wird, könnte man analog dazu sagen, dass auch in der Beratung etwasgeschieht, was im gewöhnlichen Leben nicht geschieht.7Gemäß Ludwig Widauer ist eine Veränderung nur dann möglich, wenn der Betreffendeseine Wünsche und Vorstellungen in die Zukunft projizieren kann, ansonsten der Veränderungsprozess schwierig werden kann.„Märchen denken in Wunsch und Wunscherfüllung, nicht aber im Problem[.] Märchen bahnen den Gedanken, dass Wünsche erfüllbar sind. Märchen sind geradlinig erzählt und radikal. Die Erzählung ist, trotz der Umwege und Gefahren, in der Regelauf den gewünschten Schluss ausgerichtet“8(Dirk Revenstorf)7 WIDAUER,Ludwig: 2013, Wo das Wünschen noch geholfen hat. Systemische Notizen 02/13, S 1Dirk: Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin. Heidelberg 2009.8 REVENSTORF,11

In seinem Buch „Die Macht der inneren Bilder“9 sagt Dr. Gerald Hüther, dass ein Lebewesen erst durch seinen im inneren angelegten Plan bzw. seine inneren Bilder davon, wiees sein müsste oder werden könnte, lebendig wird.Innere Bilder und Vorstellungen waren gemäß Hüther immer schon eine wichtigeRessource, um Verunsicherung und Ängste zu überwinden. Schon in der Frühzeitbenützten Menschen ihre Vorstellungskraft, um sich ein Bild von unsichtbaren Kräften zumachen, die die Welt und ihre Lebewesen hervorgebracht hat. Wir finden dieseVorstellungskraft in den Schöpfungsmythen in allen Kulturen. Sehr oft wurde dieser Machtauch einen Namen und eine Gestalt gegeben. Immer jedoch ist es eine über allenmenschlichen Verstand hinausreichende Kraft. Diese Macht bringt Ordnung undOrientierung in das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen. Dieses Bild wurdetradiert, damit die nachfolgenden Generationen sich ihrer Wirksamkeit bedienenkonnten.106.1 Märchen6.1.1 EtymologieDer Begriff „Märchen“ leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „maere“ ab, was soviel bedeutet, wie ‚Kunde‘/‘Erzählung‘/‘Gerücht‘ und demalthochdeutschen Wort „maere“, gleichbedeutend mit ‚Ruhm‘/‘Berühmtheit‘11Es handelt sich bei einem Märchen um eine im Volk überlieferte Erzählung, in der vonwunderbaren Begebenheiten in Verbindung mit übernatürlichen Mächten berichtet wird.9 HÜTHER,Gerald: Die Macht der inneren Bilder. Göttingen 2006, S 33.Gerald: Die Macht der inneren Bilder. Göttingen 2006, S 37, 38.11 Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Hg): Digitales Wörterbuch der deutschenSprache. Das Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart. https://www.dwds.de/ , abgerufen am 16.04.2021)., kein Datum10 HÜTHER,12

Der Diminutiv „-chen“ bezeichnet, dass es sich um kleine (in Versen abgefasste)Erzählungen erfundenen Inhalts handelt.12Die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm dürften sind im europäischen Raumdie bekanntesten und beliebtesten Märchen sein.Eine Pressemitteilung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- undBildungsfernsehen vom 19.05.2015 belegt, dass unter den zehn, bei Kindern beliebtestenMärchen, ausschließlich solche der Gebrüder Grimm rangieren.13Weniger bekannt, wenn auch nicht weniger bezaubernd, sind die Märchen von WilhelmHauff (1802 – 1827). Der große Unterschied zwischen Hauffs Märchen und denen derGebrüder Grimm ist, dass Hauffs Geschichten großteils aus seiner eigenen Federstammen, während die Gebrüder Grimm alte Volkserzählungen sammelten.Interessant ist, dass Hauff in seinem ersten Märchen-Almanach14 eine orientalischeKulisse für seine Erzählungen wählt. Er entführt also den Leser nicht nur in die magischeMärchenwelt, sondern zusätzlich noch in eine geheimnisvolle fremde Kultur.Am wenigsten bekannt scheint die Märchensammlung von Ludwig Bechstein15 (1801 –1860) zu sein. Wie die Gebrüder Grimm sammelte er Märchen, wodurch sich bei ihm aucheinige Märchen finden, die den Grimm-Brüdern zugeschrieben werden.Der dänische Dichter Hans Christian Andersen16 (1805 – 1875) verfasste bis nzudensogenanntenKunstmärchen. Im Gegensatz zu den Volksmärchen verzichtet Andersen häufig auf dietypischen Einleitungsworte „Es war einmal “ und spricht oft die LeserInnen direkt an.Wesentlichste Unterschiede dürften sein, dass einige Märchen keinen glücklichen12 PFEIFER,Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Berlin 1993.GÖTZ, Maya: Die beliebtesten Märchen der h/presse/Pressemitteilungen/PM2015/PM Die beliebtesten Maerchen der Kinder.pdf, abgerufen am12.07.2021)., kein Datum.14 HAUFF Wilhelm, Maerchen-Almanach auf das Jahr 182615 BECHSTEIN, Ludwig, Deutsches Märchenbuch, Erstausgabe 1845, Georg Olms Verlag16 ANDERSEN, Hans Christian, Hans Christian Andersens Märchen, Insel-Verlag, Leipzig 184717 http://www.zeno.org/Literatur/M/Andersen, Hans Christian/Biographie, abgerufen am 12.07.2021),kein Datum)1313

Ausgang haben, wie z. B. „Die kleine Meerjungfrau“ oder „Das Mädchen mit denSchwefelhölzern“ und dass alle Märchen eine zu lernende Moral aufweisen. Nicht immersiegt das Gute über das Böse. Typisch für Andersens Märchen ist, dass es ein glücklichesLeben offenbar nur in der Traumwelt verwirklicht werden kann, nicht jedoch im realenLeben.18Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es auch Märchen aus dem Orientund anderen Kulturen gibt, die im europäischen Raum sehr bekannt sind. DieGeschichtensammlung „Tausendundeine Nacht“19 weist überdies eine Rahmenhandlungauf, in der die einzelnen Erzählungen eingebettet sind. Die Rahmenhandlung beschreibt,wie Sheherazade dem König Nacht für Nacht eine Geschichte erzählt, diese jedoch immeran einem spannenden Punkt offen lässt, damit der König sie in der nächsten Nacht zuEnde hören will. So entgeht sie ihrer Hinrichtung am nächsten Morgen, wie der König esschon so oft mit den Frauen vor ihr gemacht hat.20Die Grimms-Märchen und einige Andersen-Märchen dienen häufig als Vorlage fürKinofilme und Serien oder werden selbst immer wieder verfilmt. Die in weiterer Folgeerwähnten Merkmale der Märchen finden sich auch in modernen Film- und Serienplots,die sich großer Beliebtheit erfreuen. Einige davon finden sich im Fantasy-Genre und miteinigem psychologischem Tiefgang, wie zum Beispiel „Game of Thrones“ (vgl. Seite 47),andere wiederum eher seichten Unterhaltungswert, was nicht unbedingt etwasSchlechtes sein muss.Zweifellos haben Märchen für alle Altersgruppen eine gewissen Faszination, sonstwürden Fernsehsender, wie der ZDF oder der Bayrische Rundfunk nicht ganzeThementage darüber an publikumsintensiven Feiertagen veranstalten. (vgl. Seite 15)Redaktion: https://www.maerchenbrause.de/andersens-maerchen, abgerufen am 13.07.20211WEIL, Gustav: Tausendundeine Nacht, Übersetzung von arabischen Originaltexten, 1965, NeuauflageNikol VerlagsgmbH, Hamburg 2017, S 7.20 LIPPERT, Karen: Märchenatlas, t/, zuletzt abgerufen am15.07.2021., kein Datum181914

6.1.2 Charakteristika eines MärchensDr. Kathrin Pöge-Alder, Referentin für historische und gegenwärtige Alltagskultur(Volkskunde) an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, benennt n,Interpretationen“2115Charakteristika, die ein Märchen ausmachen.Eine andere Auflistung von Märchenmerkmalen findet sich auch in einer Dokumentation22des Bayrischen Rundfunks, ausgestrahlt am 05.04.21. Aus beiden Quellen seien hier diewesentlichsten Eigenschaften dargestellt. Magie und ZaubereiWunderbares und Numinoses wird von den Hauptpersonen im Märchen alsselbstverständlich angesehen und wird nicht hinterfragt. So ist ein verzaubertesSpinnrad (vgl. Dornröschen) ebenso alltäglich wie in Frösche verwandelte Prinzen(vgl. Froschkönig) oder vom Himmel fallende Geldstücke (vgl. Die Sterntaler). Auchdass diese Magie plötzlich und oft unerwartet auftritt, verwundert niemanden. Drastische GegensätzeGraustufen findet man in Märchen kaum. Etwas ist entweder gut oder böse, reichoder arm, schön oder hässlich. Bruno Bettelheim (1903 – 1990), ein von SAemigrierterösterreichischer Kinderpsychologe, erklärt diesen Umstand damit, dass diemeisten Märchen in Zeiten entstanden sind, in denen die Religion ein wichtiger Teildes Lebens war.23 In der Religion findet sich ebenfalls eine eklatante Dualität. Reale soziale und gesellschaftliche KonstellationenEine subtilere Dualität findet sich in der Divergenz zwischen dem tischwidergespiegeltensozialen,gesellschaftlichen und familiären Verhältnissen.24 Verwaiste Kinder, verwitwetePÖGER-ALDER, Karen: Märchenforschung, Tübingen 2016, S 31ff.Bayrischer Rundfunk, 5.4.2021 Dokumentation „Märchenhaftes Ostern“23 BETTELHEIM, Bruno: Kinder brauchen Märchen. München 1980, S. 20.24 WOLLENWEBER: Märchenanalysen 1977, S 63.212215

Elternteile, zurückgesetzte Geschwister – das alles war realer Alltag in der Zeit derMärchenentstehung und ist es noch. Wir stehen dieser Tage der sogenannten„vaterlosen Gesellschaft“ gegenüber, entstanden durch zwei Weltkriege im 20.Jahrhundert, durch die Vereinfachung von Scheidungsgesetzen und dieveränderten Wertvorstellungen bezüglich Ehe und Scheidung. Fehlende Raum und ZeitangabenMärchen können weder verortet noch datiert werden. Fest steht allerdings, dasssie in der Vergangenheit spielen. Zwar gibt es bei manchen MärchenVermutungen, wo die Handlung stattgefunden haben könnte, und da die GebrüderGrimm sie hauptsächlich im und aus dem deutschsprachigen Raum gesammelthaben, ist anzunehmen, dass diese Gegenden Vorlage für die Erzählungen waren.Außerdem gibt es Anhaltspunkte für einige Märchen, da diese tatsächlich einenrealen Hintergrund haben. So könnte zum Beispiel der Hof von Gent im frühen 16.Jahrhundert Kulisse für „Schneewittchen“ sein, weil sich eine sehr ähnlicheBegebenheit dort zugetragen haben soll. FiktionalitätBeim Märchenerzählen oder -lesen ist uns klar, dass die Geschichte nicht real ist.Diese Fiktionalität wird durch die berühmten Einleitungs- und Schlussformeln25,wie „Es war einmal “ und „Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie nochheute“26 aufgebaut. Fehlende Orts- und Zeitangaben unterstützen diesesunwirkliche Szenario. HerausforderungenMittelpunkt der Märchenhandlung sind zumeist auftreten

Gemäß eines Internetartikels von NewFinance.today2 zählen „Der Herr der Ringe" von J.R.R. Tolkien und „Harry Potter" von J. K. Rowling - beide aus dem Fantasy-Genre - nach der Bibel zu den meist-verkauften Bücher der Welt. Dass Märchen etwas in uns - speziell in Kindern - auslösen, ist schon sehr lange bekannt,

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