Zwischen Selbst- Und Fremdbestimmung: Die Motivation

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Alpen-Adria-Universität KlagenfurtFakultät für Interdisziplinäre Forschung und FortbildungInstitut für Unterrichts- und SchulentwicklungJürgen Hopfgartner, BAjhopfgar@edu.aau.atBACHELOR-ARBEITThema:Zwischen Selbst- und Fremdbestimmung:Die Motivation zur DaF/DaZ-LehrePrüfungsfach (Modul): Bildung, Entwicklung und Sozialisation über dieLebensspanne (PF2)Titel der Lehrveranstaltung (Nummer, Semester): Motivation als Grundlageerfolgreichen Lernens und Lehrens (900.119, SoSe 2017)Gutachterin: Mag.a Irina Andreitz

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNGIch erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeitselbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbsterbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenenHilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten Quellen oder demInternet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungenund Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert unddurch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet.Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlichsignifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegtworden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ichbestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedrucktenVersion übereinstimmt.Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.Jürgen HopfgartnerMaria Rain, Juli 20172

INHALTSVERZEICHNIS12EINLEITUNG . 51.1Entdeckungszusammenhang. 51.2Fragestellung . 61.3Aufbau der vorliegenden Bachelor-Arbeit . 7THEORIE. 82.12.1.1Verhaltensausrichtung . 92.1.2Anreiz . 102.1.3Grundmodell der Motivationspsychologie. 122.1.4Begriff . 132.23Motivation . 8Selbstbestimmungstheorie . 142.2.1Relevanz für Fragestellung . 142.2.2Organismisch-Dialektische Perspektive. 162.2.3Basic Needs Theory . 172.2.4Cognitive Evaluation Theory . 192.2.5Organismic Integration Theory . 212.2.6Causality Orientations Theory . 23EMPIRISCHE STUDIE . 243.1Stichprobe . 243.1.1Lehrtätigkeiten . 243.1.2LernerInnen . 243.1.3Lernsituation . 253.2Erhebungstechnik . 263.2.1Das Tiefeninterview als solches . 263.2.2Die Tiefeninterviews der Studie . 273.2.2.1Leitfaden . 273.2.2.2Ablauf . 273.2.34Selektionskriterien. 283.3Auswertungstechnik . 293.4Interpretationsgesichtspunkte . 30RESULTATE . 314.1Interviewte Person 1 (IP1) . 313

4.1.1Intrinsische Motivation . 314.1.2Introjizierte Motivation . 324.24.2.1Externale Motivation. 324.2.2Intrinsische Motivation?. 334.35Interviewte Person 2 (IP2) . 32Interviewte Person 3 (IP3) . 344.3.1Intrinsische Motivation . 344.3.2Externale Motivation. 354.3.3Integrierte Motivation . 36FAZIT . 36LITERATURVERZEICHNIS . 38ABBILDUNGSVERZEICHNIS . 41TABELLENVERZEICHNIS . 41INTERVIEWTRANSKRIPTE . 42Interview 1 . 42Interview 2 . 47Interview 3 . 514

1EINLEITUNG1.1EntdeckungszusammenhangDie österreichische Gesellschaft ist im Wandel zur Migrationsgesellschaftbegriffen. Der öffentliche Diskurs rankt sich vor allem um eine Implikation diesesWandels, die unter „Integration“ firmiert. (Vgl. Sprung 2012, S. 11)Im letzten Integrationsbericht des österreichischen Bundesministeriums erscheint„Integration“ als Synonym für „gesellschaftliche Partizipation“. Bestrebungen zurErhöhung der Chancen auf diese umfassende Teilhabe werden unter„integrationsfördernde Maßnahmen“ rubriziert; zu den zentralen Prämissender Chancenerhöhung wiederum werden Deutschkenntnisse gerechnet. (Vgl.Integrationsbericht 2016, S. 85)Im Vorwort besagten Berichts mahnt Österreichs Außenminister Sebastian Kurz,der kontemporäre „Strukturwandel der Wirtschaft“ (ebd., S. 12) verwehre Personenmit Migrationshintergrund und niedrigem Deutscherwerbsstand günstige Aussichtauf Platzierung am hiesigen Arbeitsmarkt (vgl. ebd.). „Die Sprache bildet einenzentralen Aspekt der Integration von Migranten, womöglich sogar den wichtigsten.Sie ist selbst Teil wie auch Bedingung und Folge anderer Prozesse der Integration.“(Esser 2006, S. 23) Denn als Medium der Kommunikation dient Sprache derSicherstellung von Verständigung, mithin von Sozialintegration (vgl. ebd., S. 53).11Unter Rekurs auf Essers (2006) soziologischen Versuch, die Bruchlinien des – wie er schreibt:„unklaren und umstrittenen“ (S. 23) – Integrationsbegriffes zu rekonstruieren, lässt sich dasPhänomen Integration in (1) System- und (2) Sozialintegration differenzieren, wobei erstere aufden Zusammenhalt sozialer Systeme abhebt, zweitere auf die Relation zwischen individuellenAkteuren und sozialen Systemen. Sozialintegration unterscheidet der Wahl-Mannheimer Esserwiederum in (2.1) kategoriale und (2.2) individuelle Sozialintegration; zweitere subsumiert dieEinbettung einzelner Akteure in soziale Systeme bzw. den Einschluss Einzelner ingesellschaftliche Bereiche und Institutionen, desgleichen Eigenschaften, Fertigkeiten undRessourcen, die aus dieser „Inklusion“ resultieren. (Vgl. ebd., S. 23f.)5

1.2FragestellungDass Personen mit Migrationshintergrund 2 und niedrigem amhiesigenArbeitsmarktverwehrt bleibt, ist freilich nicht die einzige Herausforderung, wovor der„migrationsgesellschaftliche Wandel“ (Sprung 2012, S. 11) stellt (exemplarischeSchlagwörter: Dequalifizierung, Diskriminierung;). Allein: (1) Probleme undDefizite bilden die Kehrseite einer Medaille, worin auch (2) Chancen undRessourcen punziert sind (vgl. ebd.). So legitimieren erstere die Existenzmindestens einer der Beschäftigungsdomänen der Aufnahmegesellschaft, nämlichdie Lehre von Deutsch als Fremd-/Zweitsprache (DaF/DaZ)3. Diese Lehre henWandelsalsintegrationsfördernde Maßnahme, unterstützt sie doch den Erwerb von Deutsch undsomit den Einstieg in Erwerbstätigkeit für Personen mit Migrationshintergrund,deren akzeptabler Deutscherwerbsstand ein ökonomisches Desiderat ist.Der soeben skizzierte Status quo begründet die Relevanz von Studien, welcheDaF/DaZ-Lehre zum Gegenstand haben. Die vorliegende Bachelor-Arbeit befindetsich in Kontinuität mit diesem Diskurs, indem sie der folgenden Fragestellungnachgeht:Wie lässt sich die Motivation zur DaF/DaZ-Lehre in der Motivationstypologie derSelbstbestimmungstheorie von Deci/Ryan verorten?2Für eine Klärung dieses Terminus siehe Kap. 3.1.2.3Für eine Klärung dieses Terminus siehe Kap. 3.1.3.6

1.3Aufbau der vorliegenden Bachelor-ArbeitDie Arbeit hebt mit einem theoretischen Abschnitt (Kap. 2) an:Wenn hier konkrete Motivation – nämlich die Motivation zur DaF/DaZ-Lehre – derUntersuchungsgegenstand ist, so müssen konsentierte motivationspsychologischeErkenntnisse aufs Tapet gebracht werden, auf dass sich die Fragestellung untertheoretischen Gesichtspunkten entfalte. So sammelt Kapitel 2.1 sukzessiveIndizien, welche der Annahme Vorschub leisten, dass die Motivation zur Arbeit alsDaF/DaZ-Lehrkraft in einem Komplex von interdependenten Faktoren theoretischzu verorten sei.Eine Motivationstheorie, welche der Interdependenz zwischen dem Faktor Personund dem Faktor Situation Rechnung trägt, wird in Kap. 2.2 in ihrer großenBandbreite entrollt – nicht zu Unrecht ließe sie sich als ‚Makro-Theorie‘ bezeichnen–, nämlich bereits besagte Selbstbestimmungstheorie von Deci/Ryan.Kap. 3 dokumentiert eine qualitative Studie, welche angestrengt worden ist, umDaten zur Beantwortung der Fragestellung zu erheben, auszuwerten und zuinterpretieren. Den Schwerpunkt dieses Kapitels bilden die Beschreibung derStichprobe, die Beschreibung der Erhebungstechnik, die Begründung der Wahl derErhebungstechnik, die Beschreibung der Auswertungstechnik, die Begründung derWahl der Auswertungstechnik und die theoretisch verankerten Kategorien zurInterpretation der ausgewerteten Datensätze.4Kap. 4 präsentiert die Resultate der empirischen Studie, bestehend inInterpretationen, welche mit Zitaten von Interviewpassagen unterfüttert werden.4Mayring (2002) unterscheidet „zwischen Erhebungstechniken, die der Materialsammlungdienen, Aufbereitungstechniken, die der Sicherung und Strukturierung des Materials dienen, undAuswertungstechniken, die eine Materialanalyse vornehmen“ (S. 65).7

Kap. 5 zieht eine Bilanz unter die vorliegende Arbeit, indem die Fragestellungbeantwortet und eine Erklärung der Antwort angeboten wird.2THEORIE2.1MotivationIm Alltag wird Motivation mit Merkmalen des Handelns assoziiert, etwa mitTatendrang, Entschlossenheit, Eifer oder Fleiß (vgl. Brandstätter et al. 2010, S. ndagegenmitzielgerichtetem menschlichem Verhalten zu tun (vgl. ebd., S. 4).Nach Atkinson (1975, S. 440) ist der Gegenstand motivationstheoretischerTheoriebildung die kohärente Konzeptionder folgendendreiAspektezweckorientierten Verhaltens: Ausrichtung, Persistenz und Intensität;Dörnyei/Ushioda (2011, S. 4) konstatieren den wissenschaftlichen Konsens,Motivation belange die folgenden drei Facetten menschlichen Verhaltens: „thechoice of a particular action, the persistence with it, the effort expended on it.“Somit sei Motivation verantwortlich für: „why people decide to do something, howlong they are willing to sustain the activity, how hard they are going to pursue it.”(ebd.)Ergo: ‚Wahl‘ (‚choice‘) ist definierbar als Entscheidung, eine bestimmte Handlungauszuführen, ‚Persistenz‘ (‚persistence‘) als Dauer der Aufrechterhaltung lsStärke(Intensität)derAufrechterhaltung dieser Aktivität.Im Folgenden wird die eingehende Rede sein vom Verhaltensaspekt derAusrichtung.8

2.1.1VerhaltensausrichtungWenn eine Person eine Antwort auf die Frage sucht, wie es dazu komme, dass sieso und nicht anders handle, so betreibt sie bereits Motivationspsychologie odernimmt sich einer der Hauptaufgaben dieses Diskurses an, bemüht sie sich dochdarum, Verhalten zu erklären. (Vgl. Rheinberg/Vollmeyer 2012, S. 11)‚Erklären‘ meint hier, daß [sic!] Sie bestimmte Gründe für Ihr Verhalten ausfindigmachen. ‚Gründe‘ wiederum sind das, was Sie sich als positive Folge bzw.Begleiterscheinung Ihrer Aktivität versprechen. (ebd.)Nicht jede Handlung ist intentional. Man denke an ideomotorisches Handeln i.S.des US-amerikanischen Motivationspsychologen ante litteram William James(1842-1910): Das Antezedens einer Handlung dieser Art ist nicht etwa einewillentliche Entscheidung für ein Ziel, sondern die Antizipation (gedanklicheVorwegnahme) der Handlung als Körperbewegung. (Vgl. Atkinson 1975, S. 44).James (1890, S. 1132–1133 zit. n. Heckhausen 2010, S. 16) hat eine beredteanekdotische Evidenz parat, die Jutta Heckhausen wie folgt übersetzt hat:Wenn ich einmal aus der eigenen Erfahrung generalisieren darf, dann ist es wohlso, dass wir morgens meistens ohne jeden Kampf oder auch nur eine bewussteEntscheidung aufstehen. Wir stellen einfach plötzlich fest, dass wir aufgestandensind. Eine glückliche Lücke im Bewusstseinsstrom lässt uns sowohl Wärme alsauch Kälte vergessen, wir geben uns träumerischen Gedanken über denTagesverlauf hin und werden dabei unversehens von der Idee aufgerüttelt: Hallo!Ich darf hier nicht länger liegen bleiben – eine Idee, die in diesem Moment keinegegenläufigen oder lähmenden Vorschläge wachruft und so umgehend zu denentsprechenden Bewegungsabläufen führt.Nicht nur, dass das im Falle einer ideomotorischen Handlung einer Antwort auf dieFrage nach dem mittels Verhaltensweise angestrebten Ziel der Riegelvorgeschoben; möglich ist auch, dass zwar das Ziel der Verhaltensweise zubenennen vermocht wird, jedoch „das Anziehende, also der eigentliche Grund(Fachterminus: der Anreiz) der Zielerreichung“ (Rheinberg/Vollmeyer 2012, S. 12)opak bleibt.ImFolgendenwerdendieKonturenAnreizbegriffes geschärft.9desmotivationspsychologischen

2.1.2AnreizBesteht ein Anreiz einer Zielerreichung in einer bestimmten Kognition (z.B. ineiner Gedankenkette)? Oder besteht er in einem affektiven Zustand (z.B. inEntspanntheit)? (Vgl. ebd.) Festzuhalten ist für den Fortgang der vorliegendenBachelor-Arbeit jedenfalls dieses: Verhalten gründet in Zielen, Ziele gründen inAnreizen, insofern letztere ersteren Attraktivität verleihen.Wenn einer Person die Frage nach dem Anreiz des Ziels ihrer Verhaltensweisestellt, könnte ein zweites Ziel als Anreiz angegeben werden. Das erste Ziel ist dannMittel zur Erreichung eines höheren Ziels. (Vgl. ebd.).Zielgerichtetes Verhalten ist [.] immer eingebettet in ein komplexes Gefüge anZielen [.], d. h. jedes Ziel kann im Dienste übergeordneter Ziele stehen (Prüfungbestehen, um das Masterstudium beginnen zu können; Masterstudium absolvieren,um sich für das Berufsleben zu qualifizieren; eine Berufstätigkeit aufnehmen, umseinen Lebensunterhalt zu sichern). (Brandstätter et al. 2010, S. 4)Zur Nachvollziehbarkeit des Anreizbegriffes vermag der Motivbegriff beizutragen.Motive sind nach McClelland (vgl. 1987 zit. n. Dresel/Lämmle 2011, S. 94) zeitlichüberdauernde und interindividuell unterschiedliche Präferenzen für bestimmteAnreizklassen.Eine Anreizklasse wiederum ist eine Menge von konkreten Zielen einzelnerPersonen, welche um einen gemeinsamen thematischen Kern kreisen. DreiAnreizklassen, die bevorzugt untersucht werden: Leistung, Anschluss und Macht;(Vgl. Brandstätter et al. 2010, S. 4f.).Dresel/Lämmle (2011, S. 95, siehe auch Tab. 2) brechen die drei prominentenAnreizklassen wie folgt herunter:(1) Das Leistungsmotiv sei eine überdauernde Präferenz für das Meisternschwieriger Aufgaben, Messen an Leistungsstandards, Überwindung vonSchwierigkeiten, Konkurrieren mit und Übertreffen von anderen Personen.10

(2) Das Anschlussmotiv sei eine überdauernde Präferenz für Nähe,Bekanntschaften schließen und Beziehungen eingehen, Kooperation,Erwidern von Sympathie, Pflege von Freundschaften, Loyalität und Liebe.(3) Das Machtmotiv sei eine überdauernde Präferenz für Kontrolle der sozialenund gegenständlichen Umwelt, Beeinflussung oder Führung von erindividuellenMotiv-unterschieden. Die Gewichtung der Reizklassen variiert nämlich je nach Person.Auch ermöglicht das Motivkonzept die Erklärung von intraindividuellenVerhaltensunterschieden. Motive sind nämlich nicht die einzigen Determinantendes Verhaltens. So kommt es vor, dass sich Personen in Weisen verhalten, welcheihre Motive konterkarieren. An dieser Stelle muss der Situationsbegriff eingeführtwerden: Jede Situation bietet bestimmte Anreize. Die Motivation einer Person, sichin einer bestimmten Weise zu verhalten, kommt nur dann zustande, wenn dieSituation mit Anreizen aufwartet, welche die individuellen Präferenzen der Personfür bestimmte Anreizklassen (Motive) bedienen. (Vgl. Brandstätter et al. 2010,S. 5f.)Motivation von Verhalten ist somit Resultante der Interaktion zwischen Person(inklusive ihrer Motive) und Situation (inklusive ihrer Anreize). In dieserBestimmung resoniert Kurt Lewins Feldtheorie, deren wichtigster Beitrag zurmotivationspsychologischen Forschung in der universellen VerhaltensgleichungV f (P,U) besteht (vgl. Rheinberg/Vollmeyer 2012, S. 47): „Verhalten (V) ist eineFunktion der Person (P) und der Umwelt (U).“ (ebd.)Nach Lewin besteht die Binnenstruktur einer Person in einem System von Feldern.Jedes Feld etabliert ein Handlungsziel. In der Peripherie des Systems liegen Felder,die Quasi-Bedürfnisse darstellen. In zentraler Lage befinden sich Felder mit echtenBedürfnissen. Quasi-Bedürfnisse sind vorübergehende Bedürfnisse, die wie echteBedürfnisse wirken, dennoch solche nicht sind. Je enger der Konnex zwischenechten und Quasi-Bedürfnissen, desto größer deren Einfluss auf das personaleVerhalten. Nun steht jedes Feld unter Spannung. Ursache der Spannung ist eine11

Situation, die ein echtes Bedürfnis auslöst oder ein Quasi-Bedürfnis gebiert. DasGesamtsystem hat die Tendenz zum Spannungsausgleich. Dieser erfolgt, indem diePerson etwas tut, um das Handlungsziel zu erreichen bzw. das Bedürfnis zubefriedigen. (Vgl. ausführlicher ebd., S. 42ff.)5Abb. 1: Lewins dreidimensionale Darstellung der Person (P): Sensumotorische Grenzzone (S), zentraleFelder (Z), periphere Felder (P) (übernommen aus: Rheinberg/Vollmeyer 2012, S. 44)Die vorliegende Arbeit ist nunmehr so weit gediehen, dass sich die angesammeltenmotivationspsychologischen Erkenntnisse zu einem Modell abstrahieren lassen:2.1.3Grundmodell der MotivationspsychologieAbb. 2: Grundmodell der Motivationspsychologie (adaptierte Darstellung) (Rheinberg/Vollmeyer2012, S. 70)5Mit der Rolle von Bedürfnissen im Kontext von Motivation wird sich Kap. 2.2.3 detaillierterbefassen.12

Das Pivot des Modells bilden der Kreis mit den beiden Diagonalen und die beidenvertikalen Pfeile: Sie symbolisieren im Verbund, dass Person (inklusive ihrerMotive) und Situation (inklusive ihrer Anreize) interagieren, und zwar insofern, alsdie Motive erst dann zu aktueller Motivation zu Verhalten avancieren, sind Anreizeund Motive passgenau.Soweit wäre der Grundzug des Modells erläutert; indes, das im Hinblick auf dieFragestellung dieser Arbeit zentrale Element des Modells – der Motivationsbegriff– harrt einer mehrheitsfähigen Definition:2.1.4BegriffDas Wort Motivation impliziert das lateinische Etymon movere – zu Deutsch:bewegen (vgl. Dresel/Lämmle 2011, S. 81). Damit ist aber noch nicht jenergeborgte Denkinhalt abgegrenzt, den das Wort Motivation hier bezeichnet:Rheinberg/Vollmeyer (2012, S. 15) betrachten Motivation als kleinstengemeinsamen Nenner von Binnenerlebnissen wie etwa Streben, Wollen, Bemühenoder Hoffen, wobei dieser (gemeinsame Nenner) in einer „aktivierendenAusrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewertetenZielzustand [Herv. i. Orig.]“ besteht. Der positive Zielzustand kann auch das NichtErreichen eines aversiv besetzten Zielzustandes sein (vgl. ebd.).Der dergestalt definierte Motivationsbegriff umfasst nicht etwa eine naturgegebene,homogene, klar konturierte Größe, die lediglich in ihrer Stärke variiert und eininterindividuell stabiles intrapsychisches Erlebnis darstellt. Vielmehr ist der Begriffein Rubrum für Motivationsphänomene, die nicht identisch sind, sondern je nachKontext spezifische Formen annehmen. (Vgl. ebd., S. 13ff.). In diesem Sinne auchNeuberger (1974, S. 12): ‚Motivation‘ seilediglich ein Etikett, das eine allgemeine Vorinformation liefert. Was sich imkonkreten Einzelfall hinter diesem Etikett verbirgt, ist jeweils neu zu bestimmenanhand der spezifischen Bedeutungen, die in dem betreffenden Fall unterlegt13

werden bzw. aufgrund der Handlungen, durch die der Begriff definiert oderkonstruiert wird.Dresel/Lämmle (2011, S. 81) beschreiben den spezifischen theoretischen Charaktervon Motivation damit, dass man Motivation „nicht direkt ‚sehen‘“ könne, sondernsie lasse sich „nur anhand von Indikatoren im Verhalten, Denken und emotionalenErleben erschließen.“ Mit anderen Worten: Motivation ist ein sog. ‚hypothetischesKonstrukt‘ (Synonym: ‚intervenierende Variable‘). Diese Konstrukte befinden sichlaut Madsen (1973, S. 698 zit. n. Neuberger 1974, S. 16) auf der Erklärungsebenepsychologischer Motivationstheorien. Sie fungieren als Bindeglieder ffen(symbolischeRepräsentationen von Beobachtungsdaten, die Zusammenhänge von Reiz- undReaktionsklassen konstatieren) auf der Beschreibungsebene.Infolge des soeben skizzierten theoretischen Charakters von Motivation gereichtbeobachtetes (sichtbares) Verhalten nicht notwendigerweise zum validen Indikatorvon (unsichtbarer) Motivation dieses Verhaltens. Um dies anhand eines Beispiels(inspiriert von Neuberger 1974, S. 11) zu illustrieren: Eine Person erbringt an ihremArbeitsplatz eine hervorragende Leistung. Lässt sich diese Leistung fraglos daraufzurückführen, die Person sei entsprechend motiviert? Mitnichten! Denn: Es ist dochauch denkbar, dass für die erbrachte Leistung außergewöhnliche Fähigkeiten derPerson verantwortlich sind.2.22.2.1SelbstbestimmungstheorieRelevanz für FragestellungIm Folgenden wird dargelegt, warum die Selbstbestimmungstheorie (SBT) dazutaugt, eine Antwort auf die Fragestellung zu gewinnen. Für diese Begründung ist esnotwendig, an den Unterscheidungen der SBT anzusetzen.Deci/Ryan geben der SBT nachstehende graphische Form:14

Abb. 3: Kontinuum der Selbstbestimmung (Deci/Ryan 2002, S. 16)Wie ersichtlich, wartet die Selbstbestimmungstheorie mit fünf Motivationstypenauf. Als Unterscheidungskriterium fungiert der Stil der Regulation motiviertenVerhaltens. Der erste Typ, externale Motivation, ist identisch mit extrinsischerMotivation im klassischen Sinne. Während dieser Motivationstyp über dengeringsten Selbstbestimmtheitsgrad bzw. höchsten Fremdbestimmtheitsgrad derfünf Motivationstypen verfügt, ist intrinsische Motivation jener Typ, der über denhöchsten Selbstbestimmtheitsgrad bzw. geringsten Fremdbestimmtheitsgradverfügt.Vor dem Hintergrund der Dichotomie zwischen extrinsischer Motivation undintrinsischer Motivation liefe eine Deskription der Motivation zur DaF/DaZ-Lehreauf eine Antwort auf eine Entscheidungsfrage hinaus – nämlich: Ist die Motivationzur DaF/DaZ-Lehre selbst- oder fremdbestimmt?Allein: Gemäß SBT bewegt sich die Qualität motivierten Verhaltens auf einemKontinuum zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Um dieser Fluidität vonMotivation gerecht zu werden, differenziert die SBT extrinsische Motivation nebstexternaler Motivation in introjizierte Motivation, identifizierte Motivation undintegrierte Motivation. Mithin besteht nicht nur die Möglichkeit, dass Motivationentweder absolut selbstbestimmt (intrinsisch) oder absolut fremdbestimmt(external/extrinsisch) ist; sondern es besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit,15

dass Motivation relativ selbstbestimmt (integriert), neutral (identifiziert) oderrelativ fremdbestimmt (introjiziert) ist.Vor diesem theoretischen Hintergrund liefe eine Deskription der Motivation zurDaF/DaZ-Lehre ebenso auf eine Antwort auf eine Entscheidungsfrage hinaus –nämlich: Ist die Motivation zur DaF/DaZ-Lehre external, introjiziert, identifiziert,integriert oder intrinsisch?Summa summarum: Während die Dichotomie ‚intrinsisch versus extrinsisch‘lediglich mit zwei Erscheinungsmöglichkeiten von Motivation rechnet, ist die SBTder empirischen Mannigfaltigkeit von Motivation adäquater, indem sie mit fünfErscheinungsmöglichkeiten von Motivation rechnet. Insofern lieferte dieBeantwortung der hier gestellten Forschungsfrage unter dezidierten Rekurs auf dieSBT ein vergleichsweise (gegenüber der Dichotomie) präziseres Resultat. Die SBTbildet hier denn auch den theoretischen Rahmen der Wahl.2.2.2Organismisch-Dialektische PerspektiveDie Selbstbestimmungstheorie von Deci/Ryan (hier: 2002) avisiert auf metatheoretischer Ebene die Synthese einer Leitdifferenz des psychologischenDiskurses, die sich zwischen den folgenden beiden Polen spannt:(1) Einerseits wird postuliert, dass menschlichem Leben eine integrativeTendenz eingeboren ist, die zu gesundem psychischem Wachstum desIndividuums und Wohlbefinden führt, so sie funktional. Integrationverschränkt Autonomie und Homonomie. Die Tendenz zu Autonomiegestaltet sich als „tending toward inner organization and holistic selfregulation” (ebd., S. 5) und die Tendenz zu Homonomie als „tending towardintegration of oneself with others” (ebd.)(2) Demgegenüber ventiliert ein anderes theoretisches Lager die Annahme, wirMenschen seien „mere conditioned or reactive reflections of oursurrounding“ (ebd., S. 4).16

Deci/Ryan versuchen eine versöhnliche theoretische Geste, indem sie dieaktivierende integrative Tendenz in Relation zu einer passivierenden sozialenUmwelt setzen, welche diese Tendenz unterminiert oder forciert. Daher istgesundes psychisches Wachstum keine Selbstverständlichkeit, sondern ein„dynamisches Potential“ (ebd., S. 6), dessen Ausprägung je nach Kontext variiert.Die SBT bewegt sich also schon in metatheoretischer Hinsicht auf einer Linie mitder zentralen motivationspsychologischen Erkenntnis in Kap. 2, nämlich derInteraktion zwischen Person und Situation, die nach Dörnyei/Ushioda (2011, S. 25)inzwischen paradigmatischen Status innehat:Human action is always embedded in a number of physical and psychologicalsettings of varying breadth and abstraction, and central to the recent turn inmotivation research has been the growing recognition that all these environmentaldimensions have a certain amount of influence on one’s cognition, behaviour andachievement.Die SBT setzt sich aus vier „mini theories“ (Deci/Ryan 2002, S. 9) zusammen, ischePerspektiveberücksichtigen, aber auch das „concept of basic psychological needs“ (ebd.).Im Folgenden wird ein Teil des begrifflichen Apparatus, womit die Subtheorienaufwarten, rekonstruiert. Angeführt wird dieses Unterfangen von der Basic NeedsTheory, welche u.a. die im Rahmen der begrifflichen Analysen in Kap. 2.2 (v.a. beiErläuterung der Feldtheorie) angedeutete Relevanz von Bedürfnissen fürMotivation konkretisiert.2.2.3Basic Needs TheoryDeci/Ryan (2000) definieren Bedürfnisse als „innate, organismic necessities ratherthan acquired motives” (S. 229), die in einem „psychological rather thanphysiologicallevel”(ebd.) eingelassensind.Bedürfnisse sind„innatepsychological nutriments that are essential for ongoing psychological growth,integrity, and well-being” (ebd.; Herv. i. Orig.).17

Gemäß SBT ist Motivation umso selbstbestimmter, desto eher die Situation diefolgenden drei Grundbedürfnisse (basic needs) bedient (Dörnyei/Ushioda 2011,S. 25):(1) autonomy: (i.e. experiencing oneself as the origin of one’s behaviour)(2) competence (i.e. feeling efficacious and having a sense of accomplishment)(3) relatedness (i.e. feeling close to and connected to other individuals)Ad (1): Selbstbestimmung (autonomy) hat damit zu tun, dass sich die handelndePerson als Quelle ihres Handelns sieht: „being the perceived origin of one’s ownbehavior“ (Deci/Ryan 2002, S. 10). Der Akzent liegt auf dem perceived: So kannschlechterdings auch der Fall eintreten, dass eine andere Quelle als die PersonEinfluss auf das Handeln der Person nimmt, die handelnde Person aber dennochAutonomie erfährt, weil sich ihre Persönlichkeit diesem Einfluss nicht verschließt:„the actors concur with those influences feeling both initiative a

DaF/DaZ-Lehrkraft in einem Komplex von interdependenten Faktoren theoretisch zu verorten sei. Eine Motivationstheorie, welche der Interdependenz zwischen dem Faktor Person und dem Faktor S

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Kopieer die prente van Jesus en die wolk op ander karton en sny dit rofweg uit. Pons gaatjies oral waar sirkels aangedui is. Plak die middelpunt van die tou vas aan die agter-kant van die prent van Jesus. Die twee punte van die toue gaan deur die gaatjies aan die bo- en onderkante van die karton

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