Informations- Und Dokumentationszentrum Für Antirassismusarbeit E. V .

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Informations- und Dokumentationszentrumfür Antirassismusarbeit e. V. (Hg.):Glossar der Neuen deutschen MedienmacherFormulierungshilfen für einen diskriminierungssensiblen Sprach gebrauch in der Bildungsarbeit in der MigrationsgesellschaftInformations- und Dokumentationszentrumfür Antirassismusarbeit e. V.

ImpressumHerausgeber:Informations- und Dokumentationszentrumfür Antirassismusarbeit e. V. (IDA)Volmerswerther Straße 2040221 DüsseldorfTel: 02 11 / 15 92 55 — 5Fax: 02 11 / 15 92 55 — 69info@IDAeV.dewww.IDAeV.de(gleichzeitig Bestelladresse)Konzeption des Glossars:Neue Deutsche Medienmacher e. V.Goltzstraße 3910781 BerlinTelefon: 030-219 17 Redaktion:Konstantina Vassiliou-Enz, Ferda Ataman,Alice Lanzke, Sina Laubenstein, Shion Kumai, Ansgar DrückerLayout:Doris Busch2. ergänzte Auflage, Düsseldorf 20162

Vorwort des IDA e. V.IDA dankt den Neuen deutschen Medienmachern herzlich für dieMöglichkeit, das von ihnen entwickelte Glossar für diese Broschürenutzen zu können. Die Arbeit an diesem Glossar hat vor zwei Jahrenbegonnen und es wurde seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und verfeinert.Auch sind neue Themenbereiche hinzugekommen. Dies war für uns Anlass, dieNeuen Deutschen Medienmacher darum zu bitten, das Glossar, das sich zunächstan journalistisch Tätige richtet, aber längst auch von anderen Interessierten ge lesen wurde, in leicht überarbeiteter Form für die Zielgruppe der in der (Jugendund) Bildungsarbeit Tätigen herauszugeben. Damit möchten wir die wertvolle undakribische Arbeit der Neuen Deutschen Medienmacher würdigen und zur weiterenVerbreitung der Inhalte beitragen.Die Neuen Deutschen Medienmacher beschreiben die Entstehungsgeschichtedes Glossars so: 2013 sind auf Initiative der „Neuen deutschen Medienmacher“bundesweite Vertreterinnen und Vertreter von Medien, Wissenschaft und Verwal tung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammengekommen undhaben Begriffe diskutiert und Definitionen abgeglichen. Die Empfehlungen für dasdaraus entwickelte Glossar für die Berichterstattung in Medien bauen auf diesenund vielen weiteren Diskussionen auf. Mit Hilfe zahlreicher Wissenschaflter innen,Fachleute und Praktiker innen haben Journalist innen aus dem Netzwerk derNdM (www.neuemedienmacher.de) die Inhalte des Glossars in ehrenamtlicherArbeit erstellt. Mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung und des Bundes amtes für Migration und Flüchtlinge konnten mittlerweile fünf Auflagen gedrucktund vor allem im Bereich der Medien verbreitet werden.Wir erhoffen uns mit der Herausgabe der von den Neuen Deutschen Medienma chern konzipierten Broschüre einen weiteren Anstoß für die aktuelle und häufigkontrovers geführte Diskussion um einen diskriminierungssensiblen Sprachge brauch. Sie wird im Bereich der politischen Bildung ebenso wie in der Migrations pädagogik geführt und betrifft neben der außerschulischen Bildungsarbeitauch viele Diskussionen in schulischen Kontexten. Ein diskriminierungssensiblerSprachgebrauch verändert nicht direkt gesellschaftliche Realitäten. Er kann aberhelfen, gemeinsam gesellschaftliche Perspektivwechsel zu erarbeiten, die dazubeitragen, dass der einzelne Mensch und seine individuelle Lebenssituation imVordergrund stehen — und nicht in erster Linie seine Herkunft, sein Aufenthalts status oder seine Leistungsfähigkeit nach vorgegebenen Erwartungen einerimmer weniger zu fassenden vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft.In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre (oder ein gelegent liches Nachschlagen) und sind — ebenso wie die Neuen Deutschen Medienmacher— für konstruktive Kritik und Rückmeldungen aus der Praxis dankbar.3

Vorwort der Neuen deutschen Medienmacher e. V.Als Journalistinnen und Journalisten arbeiten wir jeden Tag mit unserem Hand werkszeug, der Sprache. Unsere Berichte sollten möglichst wertfrei, korrekt undpräzise sein. Gleichzeitig müssen wir oft vereinfachen, um komplizierte Sach verhalte verständlich wiederzugeben — manchmal ein schwieriger Spagat. Dieaktuelle, zum Teil heftig geführte Asyldebatte ist dafür ein gutes Beispiel: Nichtselten herrscht hier Unsicherheit über Begrifflichkeiten, über vermeintlich neutra le Bezeichnungen und (unbeabsichtigte) sprachliche Abwertungen. Unser Glossarsoll hier, aber auch in anderen Themenbereichen, Abhilfe schaffen: als verlässlicheQuelle für eine genaue, diskriminierungsfreie Wortwahl und somit als Hilfestellungfür die tägliche Redaktionsarbeit.Wie wichtig die „Formulierungshilfen für die Berichterstattung“ sind, zeigt unsnicht zuletzt die Resonanz: Unterschiedlichste Redaktionen aus ganz Deutschlandhaben das Glossar bereits bestellt, aber auch Pressestellen, Behörden, Ausbil dungsstätten und Einrichtungen wie die Bundeszentrale für politische Bildung.Auf diese Weise findet das Glossar auch außerhalb der Medien Verbreitung. Dennauch, wenn wir Journalistinnen und Journalisten naturgemäß ein besonderesAugenmerk auf Sprache legen (sollten), ist es doch in jedem gesellschaftlichenBereich sinnvoll, das eigene Sprechen und Schreiben zu reflektieren, um der ge sellschaftlichen Realität gerecht zu werden. Umso mehr freut uns die Kooperationmit IDA e. V., da sich mit der Zielgruppe der in der (Jugend- und) BildungsarbeitTätigen ganz neue Multiplikator-Effekte ergeben, die wir für sehr wichtig halten.Um die Inhalte des NdM-Glossars regelmäßig zu aktualisieren und zu erweitern,haben wir zudem eine interaktive Online-Version sowie eine Web-App für Mobil geräte entwickelt Wir freuen uns über Ihre Vorschläge, Hinweise und Kritik an geschaeftsstelle@neuemedienmacher.de.4

InhaltsverzeichnisVorwort des IDA e. V. . 3Vorwort der NdM e. V. .4Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“? .8Migration.17Kriminalität.22Musliminnen und Muslime.27Jüdinnen und Juden.36Sinti, Sintize, Romnja und Roma. 44Flucht und Asyl. 50Verzeichnis der Begriffe.59Die Vielfalt-Mediathek des IDA e. V.:Dokumentation, Information und Nachhaltigkeit. 665

Diskriminierungssensibler Sprachgebrauchin der MigrationsgesellschaftEinführung des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit (IDA e. V.) und der Neuen deutschen Medienmacher e. V. (NdM)Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung und damit auch unsere gesell schaftliche Realität. Die Sprache ist in pädagogischen Kontexten ein wichtigesHandwerkszeug. Unser Schreiben und unser Sprechen sollen korrekt und präzisedie gewünschte Aussage wiedergeben. Schnell passiert es aber beispielsweise,dass wir Wörter wie „Einwanderer“, „Zuwanderer“ und „Migrant“ im selben Textoder im selben Referat — bewusst oder unbewusst — nebeneinander verwenden,vielleicht in der Annahme, sie würden alle dasselbe bedeuten. Worin sich dieseBegriffe unterscheiden und bei welchen weiteren Themen ungenau formuliertwird, erläutern wir in diesem Glossar. Die Alternativbegriffe, die wir dazu anbieten,sind als Vorschläge zu verstehen und sollen als Hilfestellung für den alltäglichenSprachgebrauch in der Bildungsarbeit dienen.Wir möchten mit diesem Glossar zu einem Schreiben und Sprechen mit möglichstwenig Verletzungen und Diskriminierungen beitragen. Allein mit Sprache machenwir gesellschaftliche Diskriminierungen sowie ungleiche Rechte und Teilhabenicht ungeschehen. Da Sprache aber unsere Vorstellungen und die der Menschen,zu denen wir sprechen und für die wir schreiben, prägt, ist ein diskriminierungs sensibler Sprachgebrauch ein erster Schritt zur Veränderung gesellschaftlicherWahrnehmungen und Realitäten.NdM und IDA legen großen Wert auf eine geschlechtergerechte Sprache. Dahersind die Texte zu den einzelnen Stichworten mit dem gender gap verfasst. AusGründen der Auffindbarkeit verzichten wir lediglich bei den erläuterten Suchbe griffen darauf.Wer sich für einen sensiblen und diskriminierungsfreien Sprachgebrauch einsetztoder ihn selbst im Alltag versucht zu praktizieren, muss mit Irritationen und auchmit Gegenwind rechnen. Schnell stehen Vorwürfe oder Kommentare einer ver meintlichen Sprachpolizei oder einer übertriebenen politischen Korrektheit, dieniemandem diene, im Raum. Zum Teil sind derartige Reaktionen Ausdruck einerUnwilligkeit oder Trägheit, sich mit der diskriminierenden Wirkung von Spracheauseinander zu setzen, zum Teil steckt dahinter aber auch eine diskriminierendeGrundhaltung.6

Mit einem sensiblen Sprachgebrauch bezieht man Position und macht sichangreifbar. Diese Broschüre macht deutlich, dass ein vermeintlich neutralerSprachgebrauch oft nicht neutral ist. Daher möchten wir alle Leserinnen undLeser ermutigen, ihren Sprachgebrauch zu überprüfen und vielleicht die eine oderandere Anregung aus diesem Glossar zu übernehmen, um weniger Menschen zuverletzen, mehr Menschen zielgerichtet anzusprechen und auch sprachlich fürgesellschaftlich und rechtlich Benachteiligte Partei zu ergreifen.Gleichzeitig möchten wir davor warnen, aus einem bestimmten Sprachgebrauchgleich eine bestimmte Haltung herauszulesen und darauf moralisierend odervon oben herab belehrend zu reagieren. Wer sich nicht täglich mit den Themendieser Broschüre beschäftigt, neigt manchmal eher zu einem unreflektiertenSprachgebrauch, obwohl er eine offene Grundhaltung vertritt und niemandendiskriminieren will. Wir verstehen diese Broschüre daher als Gedankenanstoß undnicht als Rezeptbuch, als Möglichkeit zur selbstkritischen Reflexion des eigenenSprachgebrauchs und nicht als Duden der politischen Korrektheit. Nicht alle dervorgeschlagenen Begriffe werden sich im alltäglichen Sprachgebrauch durch setzen, aber schon ihr gelegentlicher Gebrauch kann — gerade in pädagogischenKontexten — wertvolle Irritationen auslösen, die zum Nachdenken und vielleichtauch zum Widerspruch einladen. Sprachgebrauch ist nicht nur Ausdruck unseresBewusstseins, sondern auch Verhandlungssache in einer offenen, vielfältigenGesellschaft. Uns geht es daher mit dieser Broschüre auch darum, die Positionenund Perspektiven oft übersehener Minderheiten deutlich werden zu lassen und sozu einem Perspektivwechsel beizutragen, der die ganze Gesellschaft in Deutsch land in den Blick nimmt.Legende zum Glossar:Am Anfang eines Textes ist der im Folgenden erklärte Begriff fett und farbiggedruckt ( Beispiel), im Text sind Begriffe, die ebenfalls im Glossar erläutertwerden, fett und farbig gedruckt ( Beispiel). Empfohlene Begriffe sind fett, kursivund farbig gedruckt (Beispiel).7

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“?Die deutsche Gesellschaft und der politische Diskurs haben lange nur unvollständig und oft sogar widerwillig zur Kenntnis genommen, dass sich das Lebenin Deutschland durch Zuwanderung und — zuletzt noch einmal verstärkt — durchFlucht nachhaltig verändert. Es ist bunter und vielfältiger geworden und vielleicht auch schwerer zu fassen und in seiner Differenziertheit zu beschreiben.Das sollte sich auch in unserem Sprachgebrauch widerspiegeln: An einigenStellen sollte er vorsichtiger und tastender, jedenfalls weniger pauschalisierendsein. An anderen Stellen sind Differenzierungen erforderlich, die oft eine neuePräzision erfordern, wenn wir niemanden verletzen, übergehen oder nur aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit pauschal bewerten möchten.In der Migrationspädagogik und beim Empowerment junger Menschen mitMigrationshintergrund haben wir häufig die Möglichkeit, junge Menschen undihre Organisationen selbst zu fragen, wie sie sich bezeichnen oder beschriebenwissen möchten. Auch hier werden die Antworten aber so vielfältig sein, dasswir um eine eigene sprachliche Positionierung nicht umhinkommen.Oft müssen wir Sachverhalte in der Bildungsarbeit oder in der Jugendarbeitkurz und verständlich darstellen und dabei auch vereinfachen — sei es schriftlich (etwa in Seminarausschreibungen) oder mündlich (etwa auf Seminarenzu ganz anderen Themen, in alltäglichen Gesprächen oder in fachlichen Diskussionen). Jede Person tut gut daran, sensibel dafür zu werden, wie sie dieGruppe(n) beschreibt, der bzw. denen sie selbst angehört. Wie spreche ich überdie Anderen? An welcher Stelle ist diese Unterscheidung notwendig, wo ruft siekünstliche Trennungen hervor?Die Neuen Deutschen Medienmacher schreiben: „Bei einer allgemeinen Bezeichnung für Einwanderer und ihre Nachkommen läuft man Gefahr, das Bildeiner homogenen Gruppe zu erzeugen. Menschen mit Migrationshintergrundsind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler haben in der Regel mit Flüchtlingen aus dem Libanon so wenig gemeinsam, wie kemalistische Türken mitkurdischen Feministinnen. Dennoch ist es ( ) manchmal nötig und sinnvoll, eineGruppe pauschal zu benennen. Die vorliegenden Erläuterungen und Alternativen dienen der Präzisierung von Begriffen und bieten praktische Vorschläge fürdie differenzierte Bezeichnung von Minderheiten, der Mehrheit und natürlichauch von beiden.“8

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“? Afrodeutsche ist eine häufigeSelbstbezeichnung von SchwarzenMenschen in Deutschland. Um Miss verständnissen vorzubeugen: Längstnicht alle, die sich so bezeichnen,haben familiäre Bezüge zu Afrika — siekönnen auch aus den USA, andereneuropäischen Ländern und überallher stammen (siehe auch SchwarzeDeutsche). Allochthone (griechisch) wird inden Sozialwissenschaften als Bezeich nung von Menschen oder Gruppen mitgebietsfremder Herkunft verwendet. Inden Niederlanden wird der Begriff zurBeschreibung von Menschen benutzt,die selbst oder deren Eltern eingewan dert sind. Allochthone ist das Gegenteilvon Autochthone. Aufnahmegesellschaft ist mitVorsicht zu genießen: Der Begriffklingt nach einem fest definierten,homogenen Rahmen, in den Menscheneinwandern. Zudem ist er als Synonymfür Deutsche ohne Migrationshintergrund ausgrenzend, da Eingewanderteund ihre Nachkommen auch zu denAufnehmenden gehören. Wenn er ver wendet wird, wäre der klärende Zusatzmultikulturelle Aufnahmegesellschaftsinnvoll, damit deutlich wird: Es sinddie knapp 82 Millionen1 Bürgerinnenund Bürger in Deutschland gemeint.1 Ausländer ist als Bezeichnung fürMenschen ohne deutsche Staatsbür gerschaft korrekt. Als Synonym für Einwanderer ist er dagegen falsch,da die meisten Migranten und ihreNachkommen keine Ausländer mehrsind, sondern Deutsche. Grundsätz lich verortet „Ausländer“ Menschen imAusland und klingt nicht nach jeman dem, der die den Lebensmittelpunkt inDeutschland hat. Ausländischer Mitbürger wird seitden 1970er Jahren als meistens wohl meinende, jedoch widersprüchlicheBezeichnung für Menschen verwendet,die seit vielen Jahren hier leben undvoraussichtlich bleiben werden. Solldie nicht-deutsche Staatsbürgerschaftbetont werden, ist ausländische rBürger in passender, da bei „Mit-Bür ger in“ ein unnötiges „Othering“ statt findet, d.h. ein e Mitbürger in ist damitscheinbar anders als eine Bürger in. Ausländer mit deutschem Passtaucht erstaunlicherweise immerwieder auf, ist sachlich falsch und alsdiskriminierender Widerspruch zusehen. Deutsche r mit Einwanderungsgeschichte oder Migrationshintergrund wäre ein sperriger, aberkorrekter Begriff. Autochthone Deutsche autoch thon kommt aus dem Griechischenund bedeutet sinngemäß eingeboren,Bevölkerungsstand des Mikrozensus des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung(Stand: 31.12.15): ergrund 2010220157004.pdf?blob publicationFile9

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“?alteingesessen. Autochthone Deutsche könnte dazu dienen, Deutscheohne Migrationshintergrund zubeschreiben, hat allerdings als kaumbekanntes Fremdwort wenig Aussicht,sich durchzusetzen Der Begriff ist wie Allochthone in den Niederlandenstärker verbreitet. Biodeutsche wurde vor einigenJahren von „Migrationshintergründ ler innen“ als Gegenentwurf mitscherzhaft-provokantem Untertonin die Debatte gebracht und wird in zwischen aus Mangel an Alternativenmitunter ernsthaft verwendet. Vieleso Bezeichnete lehnen ihn ab, weilin ihm die Vorstellung von Genetikmitschwingt. Das Gegenteil wärenSynthetik-Deutsche — also wieder eineZuordnung in echte und nicht echteDeutsche. Allerdings: Als Kürzel fürBiografisch-Deutsche kann der Begriffgenutzt werden, wenn einmal die aus geschriebene Form verwendet wird. Bundesrepublikaner kann alsBezeichnung für alle Bürgerinnen undBürger in der Bundesrepublik Deutsch land verwendet werden, denn auchdiejenigen ohne deutsche Staats angehörigkeit haben sich für ein Lebenin der Bundesrepublik entschieden. Copyright-Deutsche beschreibt Herkunftsdeutsche und betont,dass eingebürgerte Deutsche häufignicht als originär bzw. original deutschwahrgenommen werden. Der AusdruckCopyright-Deutsche stammt von PaulMecheril, Professor für Migrationspä 10dagogik (siehe auch Standarddeutsche). Deutsche steht für deutscheStaatsangehörige (siehe Kapitel Migra tion). Als Adjektiv oder Substantivsollte der Begriff nicht dazu dienen,eine ethnische Zugehörigkeit unddamit nur die herkunftsdeutscheBevölkerung zu beschreiben. Denn:Jede r fünfte Deutsche stammt auseiner Einwandererfamilie. Darüberhinaus erhalten in Deutschland gebo rene Kinder von Ausländern seit demJahr 2000 in der Regel die deutscheStaatsbürgerschaft. Deutsche ohne Migrationshinter grund ist zwar sperrig, aber zurUnterscheidung durchaus geeignet,zumal er denselben Zusatz verwendet,der zur Definition von Menschen mitMigrationshintergrund dient. Deutsch-Türke usw. ist eineMöglichkeit die Internationalität vonMenschen zu beschreiben. Dabei ist esallerdings sinnvoll, ihren Lebensmit telpunkt zu betonen, also Turko-Deutsche statt Deutsch-Türken, Greco- Deutsche statt Deutsch-Griechen,Spanisch- Deutsche, Polnisch-Deutsche usw. Denn: Bei Wortzusammen setzungen im Deutschen steht dieHauptbedeutung immer am Ende (z. B.Hausschuh). Übrigens empfinden sichauch Einwanderer ohne deutschenPass oft als Teil der deutschen Gesell schaft, also z. B. als Turko-Deutsche.

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“? Diverskulturelle abgekürzt Dikulturelle, ist eine Alternative zurBezeichnung von Menschen ausEinwandererfamilien. Sie wurde vonHeidelberger Bürger innen mit undohne Einwanderungsbiografie in Zu sammenarbeit mit den NdM in einemWorkshop beim Diversity-Day 2014entwickelt (siehe auch Menschen mitinterna tionaler Geschichte). Drittstaatsangehörige wird in derFachsprache verwendet, um Menschenzu beschreiben, die keine Staats angehörigkeit eines EU-Landes haben.Solange es rechtliche Unterscheidun gen für diese Gruppen gibt, ist derBegriff unvermeidbar. Beispiel: Deutsche haben das allgemeine Wahlrecht,EU-Bürger innen können in Deutsch land bei Kommunalwahlen abstimmen,Drittstaatsangehörige dürfen inbeiden Fällen nicht mitwählen. Einheimische erzeugt ein schiefesBild, weil viele Eingewanderte und ihreKinder hier längst heimisch sind. Esweckt die Assoziation von fremdländi schen Migranten. In einem lockerenKontext könnte es mit dem Gegensatzverwendet werden: Einheimische undMehrheimische. Einwanderer sind Menschen, dienach Deutschland gekommen sind, umdauerhaft zu bleiben. Derzeit ist jedochin diesem Kontext oft fälschlich dieRede von Zuwanderern, Menschenmit Zuwanderungsgeschichte undähnlichem. Einwanderer und ihre Nachkommenist zwar ebenso lang wie Menschenmit Migrationshintergrund, aber eingutes Synonym, weil weniger abstrakt. Fremdarbeiter ist eine Bezeich nung für Arbeitsmigranten, die seitder NS-Zeit historisch belastet ist unddaher nur mit einer entsprechendengeschichtlichen Einordnung verwendetwerden sollte. Als Alternative eignensich ausländischer Arbeitnehmer,Arbeitsmigrant, migrantischer Arbeiter oder auch arbeitsmarkt bezogenerEinwanderer/Zuwanderer (Fachspra che), siehe auch Gastarbeiter. Gastarbeiter wurden arbeitsmarktbezogene Einwanderer genannt,die seit den 1950er Jahren durchbilaterale Verträge zur Anwerbungvon Arbeitskräften aus dem Auslandkamen. Im Wort „Gast“ schwang mit,dass die Einwanderer nicht bleibensollten. Der Begriff ist inzwischenveraltet, wird manchmal aber noch zurSelbstbezeichnung gebraucht, z. B. als„Gastarbeiterkind“. Die wissenschaft liche Literatur ist dazu übergegangen,ihn mit dem Zusatz „sogenannteGastarbeiter“ zu versehen (siehe auch Fremdarbeiter). Herkunftsdeutsche ist umstrit ten. Wer allerdings „Deutsche mittürkischer Herkunft“ sagt, müsstekonsequenterweise auch Deutschemit deutscher Herkunft, sprich Herkunftsdeutsche sagen. Integrationsverweigerer stehtfür die diffuse Vorstellung, dass Ein11

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“?wanderer die deutsche Gesellschaft,ihre Werte und Gesetze ablehnenwürden. War anfangs noch die Redevon Menschen mit „Integrationsbedarf“und „Integrationsproblemen“, wurdendaraus später „Integrationsunfähige“und „Integrationsunwillige“, heutetaucht öfter der „Integrationsverwei gerer“ auf. Daran wird deutlich, dassEinwanderern oft eine willentliche undaktive Abgrenzung unterstellt wird, wasjedoch nur sehr selten der Fall ist. Stu dien verweisen eher auf einen Mangelan Chancengleichheit und fehlendeoder erschwerte Möglichkeiten zurPartizipation. Kanaken (polynesisch „Kanaka“ Mensch) ist ein Schimpfwort, wirdjedoch manchmal (mit sarkastischemUnterton) als Selbstzuschreibungverwendet. Wenn Protagonisten sie fürsich selbst verwenden, kann die Selbst bezeichnung auch in pädagogischenKontexten verwendet werden, sollteaber als solche erkennbar sein. Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache („ndH“) ist ein abstrakterFachbegriff, der vor allem im Bildungs bereich für Schüler innen verwendetwird. Er ist der Versuch, bestimmteFörderbedürfnisse zu benennen, ohneKinder einer Herkunftsgruppe zuzuord nen. Leider verbirgt sich dahinter eindefizitorientierter Blick: In der Schul eingangsuntersuchung wird allein derFrage nachgegangen, ob das Kind alserste Sprache Deutsch gelernt hat. Ge nauso geeignet und weniger abstrakt:12Mehrsprachige Kinder oder Kindermit internationaler Geschichte. Kulturbereicherer ist zynischgemeint und stammt aus der rechtsextremen Szene. Der Begriffbezeichnet Menschen aus Einwandererfamilien. Er soll die radikale Ableh nung einer Bereicherung Deutschlandsdurch Menschen aus Einwandererfamilien ausdrücken. Seit einiger Zeitfindet sich der Begriff auch öfter in derMitte der Gesellschaft. Leitkultur wurde als Begriff vondem Göttinger Politologen BassamTibi geprägt, dessen Vorstellung zu folge sich Migranten in heterogenenEinwanderungsgesellschaften denherrschenden kulturellen Normenanzupassen hätten, ohne die eigeneKultur aufgeben zu müssen. Tibis Be zeichnung wurde 2000 vom damaligenCDU-Generalsekretär Friedrich Merzübernommen, der bemängelte, es gebekeine deutsche Leitkultur mehr. In derfolgenden Diskussion ging es allerdingsweniger um gemeinsame Werte alsvielmehr um einen Katalog dessen, was Einwanderer respektieren sollten,wollten sie in Deutschland leben. DerBegriff kursiert teils in rechtsextremen Kreisen, ist jedoch im Zuge deraktuellen Asyldebatte als Schlagwortauch wieder häufiger in der bürgerli chen Mitte anzutreffen. Mehrheitsgesellschaft ist eingängiger Begriff, der missverständlichist. Eigentlich müsste es heißen: Mehrheitsbevölkerung, also die von knapp

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“?65 Millionen 2 Deutschen ohne Migrationshintergrund. In einem faktischenEinwanderungsland funktionieren Be griffe wie „die deutsche Gesellschaft“oder „die Gesellschaft in Deutschland“nicht als Synonym für Deutsche ohneEinwanderungskontext. Menschen aus Einwandererfamilienist zwar auch sperrig, aber um schreibt treffend, was gemeint ist, ohneMenschen eine vermeintliche Einwan derungserfahrung zuzusprechen. Menschen mit internationalerGeschichte ist eine weitere Alterna tivformulierung, die im Workshop „Washeißt hier Migrationshintergrund?“beim Diversity-Day 2014 von Heidel berger Bürger innen mit und ohneMigrationshintergrund in Zusammen arbeit mit den NdM entwickelt wurde;der Begriff berücksichtigt, dass nichtalle Menschen mit ihren Familien einge wandert sind. Menschen mit Migrationshintergrund (MH) sind nach statistischerDefinition in Deutschland lebende Auslän der innen, eingebürgerte Deutsche, die nach1949 in die Bundesrepublik eingewan dert sind sowie in Deutschland geborene Kin der mit deutschem Pass, bei denensich der Migrationshintergrund vonmindestens einem Elternteil ableitet.2Zunächst wurde „Personen mit Migra tionshintergrund“ in der Verwaltungsund Wissenschaftssprache verwendet.Doch als durch Einbürgerungen unddas neue Staatsangehörigkeitsrechtaus dem Jahr 2000 der Begriff Ausländer nicht mehr funktionierte, um Einwanderer und ihre Nachkommenzu beschreiben, ging die Formulierungauch in die Umgangssprache ein (sieheauch Einbürgerung und DoppelteStaatsbürgerschaft).Inzwischen wird der Begriff von man chen als stigmatisierend empfunden,weil damit mittlerweile vor allem (mus limische) „Problemgruppen“ assoziiertwerden. Eine gute Alternative: Menschen aus Einwandererfamilien. Migranten werden vom Statis tischen Bundesamt als Menschendefiniert, die nicht auf dem Gebiet derheutigen Bundesrepublik, sondern imAusland geboren sind. Rund die Hälftedavon sind Deutsche, die andereHälfte hat eine ausländische Staats angehörigkeit. Im Diskurs wird dieserBegriff häufig irrtümlich als Synonymfür Menschen mit Migrationshintergrund verwendet. Migrationsvordergrund eine meistaugenzwinkernd gemeinte Selbst bezeichnung von Menschen, deren Migrationshintergrund sichtbar ist. Mischling ist als Bezeichnungdem Tierreich entlehnt und beruhtBevölkerungsstand des Mikrozensus des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung(Stand: 31.12.15): ergrund2010220157004.pdf? blob publicationFile13

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“?auf der Rassentheorie. Ist die Infor mation relevant, kann die Herkunftder Eltern konkret benannt werden. Neubürger klingt nach soeben ein gewandert, daher ist der Begriff zwarals abwechslungsreiches Synonym für Einwanderer durchaus sinnvoll. AlsSynonym für Eingebürgerte ist er eherverwirrend, da er keine Verwurzelungin Deutschland vermuten lässt und manauch meinen könnte, die Menschenwären vorher keine Bürger innengewesen. Neue Deutsche taucht immerhäufiger auf und wird unterschiedlichverwendet: Manche gebrauchen denBegriff synonym für Menschenmit Migrationshintergrund, und alsSelbstbezeichnung von Menschenaus Einwandererfamilien soll er denAnspruch auf Zugehörigkeit deutlichmachen. Der Begriff kann aber auchfür eine Haltung stehen statt für eineherkunftsbezogene Kategorisierung:Zu den Neuen Deutschen zählen dannalle Menschen (mit und ohne Migra tionshintergrund), die positiv zur Plura lisierung der Gesellschaft stehen. Passdeutsche wird teils nicht inabwertender Absicht verwendet, aberman sollte wissen, dass der Begriff ausdem Vokabular von Rechtsextremenstammt und zum Beispiel in Textender NPD verwendet wird: Dort gibt es Deutsche und „Passdeutsche“ (alsoMöchtegerndeutsche, nicht richtigeDeutsche). Letztere sollen damit als„undeutsch“ abgewertet werden.14 Rasse ist eigentlich seit dem Nati onalsozialismus („Rassengesetze“) einUnwort in Deutschland, das im Sprach gebrauch nicht mehr üblich ist. Den noch existiert es noch in zahlreichenGesetzestexten wie dem Grundgesetz(„Niemand darf wegen . seiner Rasse. benachteiligt oder bevorzugt wer den.“). In den Medien taucht es zudemauf, wenn zum Beispiel Rassismus- Debatten aus den USA wiedergegebenwerden. Doch Begriffe wie „Rassen unruhen“ (race oder ethnic riots) oder„Rassenbeziehungen“ (race relations)sollten nicht unreflektiert wortwörtlichübersetzt werden. Alternativen: Rassismus-Debatten, Unruhen wegenRassismus-Vorwurf etc. Roma ist sowohl eine Selbstbe schreibung als auch der Oberbegrifffür eine heterogene Gruppe vonMenschen, die vor über 1.000 Jahren,vermutlich aus Indien, nach Europaausgewandert ist. Da sie sich durchverschiedene Sprachen, Religionenund Gewohnheiten voneinander unter scheiden, sprechen Experten häufigvon Romagruppen oder Angehörigender Roma-Minderheiten. Im männli chen Singular spricht man von Rom(Plural: Roma), im weiblichen Singularvon Romni (Plural: Romnja). Bis in die1970er war die verunglimpfende Be zeichnung „Zigeuner“ in Deutschlandgängig (siehe auch Sinti, DeutscheSinti und Roma). Deutsche Roma sind diejenigenRoma, die ab der zweiten Hälfte des19. Jahrhunderts nach Deutschland

Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“?gekommen sind (siehe auch Sinti, Deutsche Sinti und Roma, Roma).ration in der Schweiz leben. Singular:Secondo (m), Seconda (f). Schwarze „Wenn es um Rassismus,unterschiedliche Erfahrungen undSozialisationen geht, ist der politischkorrekte Begriff Schwarze. In allenanderen Fällen gibt es aber meistensgar keinen Grund, dazu zu sagen, obeine Person Schwarz oder weiß ist.“(zitiert von www.derbraunemob.info).Farbige/farbig ist ein kolonialistischerBegriff und negativ konnotiert. EineAlternative ist die SelbstbezeichnungPeople of Color (PoC, Singular: Personof Color), siehe auch Weiße Deutscheund Schwarze Deutsche. Standard-Deutsche beschreibtDeutsche ohne Migrationshintergrund und macht aufmerksam auf eineNorm-Vorstellung, von der Deutschemit Migrationshintergrund vermeint lic

Glossar der Neuen deutchen s Medienmacher Formulierungshilfen für einen diskriminierungssensiblen Sprach gebrauch in der Bildungsarbeit in der Migrationsgesellschaft Informations und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. 2 Impressum Herausgeber: Informations und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) Volmerswerther Straße 20 40221 Düsseldorf Tel: 02 .

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