Philosophie Lernheft 35 - Studienwelt Laudius

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PhilosophieLernheft 35Rückblick: Vom Mythos zum LogosInhaltsverzeichnis:35.1Einleitung .235.1.1Orphik .335.1.2Mythos und Logos .435.1.3Sieg der Vernunft? .535.2Zur Bedeutung des Mythischen .735.3Was ist ein Mythos? .835.4Kampf zwischen Mythos und Logos .835.5Der Mythos in der Entwicklung .935.6Mythos heute .1035.6.1Die Bedeutung des Mythos für den Menschen .1135.7Selbstlernaufgabe .1435.8Zusammenfassung .1435.9Hausaufgabe .1535.10Lösung zu der Selbstlernaufgabe .1635.11Anhang .16 Copyright Laudius GmbHDE-1055-00-00

Rückblick: Vom Mythos zum Logos35.1Lernheft 35EinleitungFast am Ende des Kurses angelangt, folgt nun ein Rückblick. Der Logos (Vernunft,Geist) löste den Mythos ab. Mythos – im weitesten Sinne verstanden – bedeutet Wort,Rede, Erzählung von göttlichem Geschehen. Der Mythos begründet und erläutert eineTradition. Dieses im Kontext der griechischen Geschichte vorgegebene (damit abernoch nicht erschöpfte) Verständnis des Mythos findet sich in allen Kulturen, in denendie Tradition ungebrochene Gültigkeit beanspruchen kann. Darüber hinaus wirdsichtbar, wie sehr die heiligen Berichte mit dem Identitätsbewusstsein menschlicherGemeinschaft verwoben sind. Im Erzählen der Welt wird zwar die Ungesichertheit undSinnbedrohung des Menschen erst wirklich offenbar, zugleich bedeutet jedoch dieTatsache, dass erzählt werden kann, eine Teilnahme an jenem Sinn, der demErzählen (oder besser: dem Artikulieren) grundsätzlich eigen ist.Aus diesem Grunde kann das Wesen des Mythos nicht auf diesen oder jenen Berichtbeschränkt werden. Es ist vielmehr das Artikulieren und die Artikulation des Gegebenen als Tat und Tatsache des Menschlichen. In ihm versöhnt sich das Bewusstseinmit den Vorbedingungen, aber auch mit der Entfaltung der eigenen Existenz. DerMythos entwirft ein Bild des Universums, gibt Rechenschaft von jenem Bild der Weltund des Miteinanderseins, das es als die gegebene Situation entworfen hat. Mitanderen Worten: Der Mythos orientiert und legitimiert, er erinnert an das, was alsOrientierung und Legitimation vorgegeben ist.Der Weg vom Mythos zum Logos vollzog sich als allmähliche Loslösung/Kritik von/ander überlieferten Religion. Er stellt den Versuch dar, mit dem Mittel selbstständigen,vernunftmäßigen Denkens die Welt aus natürlichen Ursachen zu erklären. Auf diesemWeg entwickelte sich die Philosophie.An der Schwelle der griechischen Philosophie steht also etwas an sich Unphilosophisches, der Mythos. Er ist der Glaube der Gemeinschaft in den großen Fragen vonWelt und Leben, Göttern und Menschen, der dem Volk angibt, was es hier zu denkenund zu tun hat. Man übernimmt ihn aus der Überlieferung des Volkes, unreflektiert,gläubig und blind. Wie Aristotelkes bemerkt, so ist aber der Freund des Mythostrotzdem in gewisser Hinsicht auch schon ein Philosoph, und zwar deswegen, weil ersich im Mythos mit Problemen beschäftigt, die auch wiederum die Probleme derPhilosophie sind. Und darum erwähnt Aristoteles, wenn er die Vorgeschichte einerphilosophischen Frage und ihrer Lösungsversuche anführt, gerne auch die Meinungender „ganz Alten, die einst am Anfang theologisierten“ (zitiert nach Hirschberger).In Frage kommen hier zunächst Homer und Hesiod und ihre Lehren über die Herkunftder Götter (Theogonien) und die Entstehung der Welt (Kosmogonien). So wäre nachder Mythologie Homers die Ursache für alles Werden in den Meergottheiten Okeanosund Tethys zu suchen sowie in dem Wasser, bei dem die Götter zu schwören pflegen,das die Dichter Styx nennen. Bei Hesiod erscheinen das Chaos, der Äther und derEros als die Uranfänge des Alls. Aber auch andere Probleme werden angeschnitten:Die Vergänglichkeit des Lebens, der Ursprung des Übels, die Frage von Verantwortung und Schuld, Schicksal und Notwendigkeit, das Leben nach dem Tode undvieles mehr. Immer wirkt sich dabei ein ganz und gar bildhaftes Denken aus, daseinen konkreten Einzelfall intuitiv mit den hellen Augen des Dichters erlebt, dann dieIntuition verallgemeinernd auf Leben und Welt überhaupt überträgt und so das ganzeSein und Geschehen deutet.2

Rückblick: Vom Mythos zum LogosLernheft 35In diesem Lernheft wird nun versucht, die Entwicklung vom Mythos zum Logosnachzuvollziehen, vor allem aber die Bedeutung des Mythos für den Menschen zuskizzieren und zugleich deutlich zu machen, inwiefern auch heute noch trotz – odergerade wegen – des Vorrangs des Rationalitätsprinzips ein Bedürfnis des Menschennach dem Mythos erhalten geblieben ist.35.1.1OrphikIm 6. Jahrhundert kam von den Bergen Thrakiens herab eine neue Mythologie nachGriechenland. In ihrem Mittelpunkt steht der Gott Dionysos, ihr Priester ist Orpheus,der thrakische Sänger. Orpheus gilt nach einigen Überlieferungen als Sohn der MuseKalliope und des Apollon und als mythischer König aus dem RhodopengebirgeThrakiens. (Nach anderen Quellen ist der Flussgott Oiagros sein Vater.) Sein Mythosverkörperte die Unsterblichkeit der Seele und vereinte starke orientalische Einflüssemit den thrakischen Wurzeln. Die Griechen schrieben ihm die Erfindung der Musik unddes Tanzes zu.Nietzsche hat später Dionysos zum Symbol des Lebens und des Zustimmens zumLeben in all seinen Höhen und Tiefen gemacht. Der Weingott Dionysos war auchtatsächlich ein Gott des Lebens, nämlich der zeugenden Natur; er wurde in denBacchanalien in enthusiastischer Erdnähe verehrt. Die Dogmatik der Orphiker waraber alles andere als Lebensbejahung. Es handelt sich vielmehr um eine seltsameMischung von Askese und Mystik, Seelenkult und Jenseitshoffnung, dass dem VolkeHomers noch ganz fremd war.Die Seele ist jetzt nicht mehr Blut, sondern Geist; sie stammt aus einer anderen Welt;sie ist auf diese Erde verbannt zur Strafe für eine alte Schuld; sie ist an den Leibgefesselt und muss mit ihm eine weite Wanderung durchmachen, bis sie von derSinnlichkeit erlöst wird. Ein Weg zu der erstrebten Reinigung von der Sinnlichkeitwaren eine Reihe von Speiseverboten, etwa das Verbot von Fleisch und Bohnen.Goldplättchen, die man dem Toten mit ins Grab gab, bestätigten seiner Seele, dasssie als Reine von den Reinen kommt und dem beschwerlichen Kreise der Geburtenentflogen sei. Die Anschauungen der Orphiker über das Schicksal der Seele nachdem Tode werden widergespiegelt in den großen eschatologischen (die Lehre vomEndschicksal des Menschen und der Welt betreffenden) Mythen in den platonischenDialogen Gorgias, Phaidon und Politeia.Die orphische Dogmatik besaß auch bereits eine gut ausgebildete Theologie undKosmogonie. Danach stehen am Anfang das Chaos (gähnende Leere, Kluft) und dieNacht. Die Nacht habe ein Ei, das Weltei, erzeugt und daraus sei ein geflügelter Eroshervorgegangen. „Und dieser, mit der gähnenden Kluft gepaart, der geflügelten,nächtlichen, im weiten Tartaros (Unterwelt der griechischen Sage), heckte unserGeschlecht aus und führte es empor ans Licht. Vorher war nicht ein Geschlecht derUnsterblichen, bevor Eros alles miteinander verband, wie sich aber verband das einemit dem anderen, entstanden Himmel und Ozean und Erde und aller Götter unsterblich Geschlecht.“ Nach einer späteren Quelle wäre der Uranfang des Kosmos einDrache mit den Köpfen eines Stieres und eines Löwen; in der Mitte habe er aber dasGesicht eines Gottes und an den Schultern Flügel. Bekannt sei er als der nichtalternde Zeitgott.Der Drache erzeuge einen dreifachen Samen, den feuchten Äther, die grenzenlose,gähnende Kluft und das neblige Dunkel, dazu auch wieder ein Weltei.3

Rückblick: Vom Mythos zum LogosLernheft 35All das ist phantasievolle, dichterische Intuition. Man hat in der orphischen Mythologie‚handgreiflich’ orientalische Tradition gesehen. Insbesondere wäre der Dualismus vonLeib und Seele, Diesseits und Jenseits und die weltflüchtige Lebensform seien überhaupt ,ein Tropfen fremden Blutesʼ im Griechentum. Ursprungsland dieser Anschauungen mag tatsächlich Indien gewesen sein, da solche Ideen nach 800 v. Chr. in denUpanishaden, den theologischen Erklärungsschriften zu den Veden, auftreten. Siefinden sich auch in der Religion Zarathustras (griech. Zoroaster, er lehrte im zweitenoder ersten Jahrtausend v. Chr. als alt-iranischer Priester) auf der Hochebene desIran, wie sich aus den ältesten Gâthas (Gesänge) des Zendavest ergibt. (Das Avestastellt das heilige Buch der auf den iranischen Religionsstifter Zarathustra zurückgehenden Religion Zoroastrismus dar. Es besteht aus einer Sammlung verschiedenerTexte unterschiedlicher sprachlicher und stilistischer Art sowie zeitlicher Abstammungund enthält unter anderem die dem Propheten selbst zugeschriebenen Gathas.)35.1.2Mythos und LogosAristoteles hat gegenüber dem Mythos mit Recht gesagt, dass er nicht Wissenschaftsei, weil diese archaischen ‚Theologen’ nur das traditionelle Lehrgut weitergaben,aber keine Beweise lieferten. Er stellt ihnen jene gegenüber, die „auf Grund vonBeweisen reden“, von denen man darum ein echtes „Überzeugen“ erwarten kann.Damit sind die Philosophen gemeint. Durch dieses methodische Moment desZweifels, des Beweisens und Begründens unterscheidet er nun doch Mythos undPhilosophie, obwohl er zunächst zugegeben hatte, dass der Freund des Mythos ingewisser Hinsicht auch Philosoph sei.Die Philosophie ist gegenüber dem Mythos wirklich etwas Neues. Man lebt nicht mehrblindäugig aus dem Geistesgut der Gemeinschaft, sondern das Individuum wird ganzauf sich selbst gestellt und muss sich frei und mündig allein erarbeiten, prüfend undbeweisend, was es denken und für wahr halten will. Das ist eine andere Geisteshaltung als die des Mythos. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass dieFragestellungen des Mythos und auch seine begrifflichen Intuitionen, die in grauer,unkritischer Vorzeit entstanden sind, in der philosophischen Begriffssprache nochweiterleben. Für die philosophische Erkenntniskritik entsteht hier die Aufgabe, zuprüfen, ob die vermeintlichen rationalen Denkmittel der Philosophie auch wirklich allerational begründet sind. Vielleicht sind sie es nicht; und zwar nicht nur aus einem4

Rückblick: Vom Mythos zum LogosLernheft 35Versagen heraus, sondern auch deswegen, weil der Geist weiter ist als das Wissenund den Mythos in einem positiven Sinn als einen eigenen Weg zur Weisheiteinschließt, so dass nur der Wissenschaftsgläubige der Aufklärung entmythologisierenwill, während aber Aristoteles mit Recht sagt, dass auch der Mythos – auf seine Weise– philosophiere.35.1.3Sieg der Vernunft?Die griechischen Philosophen suchten nach jenen Prinzipien, die dem Werden undVergehen der Natur zugrunde liegen, die das Woher und Wohin des Menschen lenkenund ihr Zusammenleben bestmöglich regeln. Was heute als Grundlage aller Wissenschaft gilt, die Reflexion der eigenen Begriffe und Methoden, die Frage nach denMöglichkeiten und Grenzen der menschlichen Erkenntnis, entstand in Kleinasien undGriechenland. Hielscher erläutert diesen Zusammenhang: „Die Wiege der abendländischen Philosophie liegt im antiken Griechenland. Einmalige wirtschaftliche undsoziale, religiöse und kulturelle Bedingungen wie etwa die Sprache und die Schriftschufen Bedingungen, unter denen das menschliche Denken und Ahnen zwischenGötterglauben und Alltagswelt jene besondere Richtung nahm, die wir Philosophienennen.“Dort, in den Epen des Homer und des Hesiod und im Denken der rund dreißigWeisen, die man später die Vorsokratiker nannte, wurde der entscheidende geistigeSchritt vollzogen, der mit dieser Folgerichtigkeit und Leidenschaft und mit mehr alszweitausend Jahre anhaltender Wirkung damals nur im antiken Griechenlandgeschah: der Schritt vom Mythos zum Logos. Damit ist der Übergang von einermythisch-religiösen Welterklärung mit Hilfe von Göttergenealogien und -geschichten,einer dämonisch belebten Natur und einem in strengen Dogmen und Riten befangenen Alltagsleben zu rationalen Modellen der Welterklärung (logos Vernunft)gemeint, in denen sich zugleich auch der einzelne denkende Mensch emanzipiert.Wenn die Welt sinnvoll und nach ewigen Gesetzen geordnet ist und der Mensch alsTeil dieser Welt in seiner Vernunft ein Werkzeug hat, die Ordnung dieser Welt zuerkennen, dann wird damit der einzelne denkende Mensch aufgewertet, die Vernunftbekräftigt. Der vernünftige Bürger befreit sich somit etwa von den Dogmen einerPriesterkaste oder den irrationalen Vorschriften politischer Tyrannen. (Darum warenPhilosophen, wenn sie sich nicht ausdrücklich einer Staatsmacht oder einerpolitischen Philosophie der Herrschaft verschrieben, immer schon eine Gefahr für dieMacht.)Griechenland wurde damit aber gleichermaßen zum Ursprungsort für das abendländische Denken, also für die europäische Philosophie und Wissenschaft, aber auch fürdie Idee der Ausbildung der Persönlichkeit, für den Gedanken der Gleichberechtigungder Bürger und die Idee des demokratischen Rechtsstaates, der ihnen mit seinenGesetzen Rechtssicherheit verschafft. Was aber ist die gemeinsame Ursache für einesinnvoll geordnete Welt und den Verstand, der dies erkennt?Die Philosophie sucht genauso nach dem Ursprung der Welt und ihrer Einheit wie derMythos, aber sie erzählt keine Geschichten, sondern formuliert Fragen, auf die ihrerationalen Modelle Antworten geben sollen. Sie stellt die gleichen Fragen wie dieReligion, aber sie gibt andere Antworten, die nicht in der Unterwerfung der Vernunftunter den Glauben münden, sondern in eine fortlaufende Geschichte der Vernunftselbst. Sie erforscht die einzelnen Bereiche der Natur, des Menschen und der5

Rückblick: Vom Mythos zum LogosLernheft 35Gesellschaft, genauso wie die Wissenschaften, aber sie fragt nach derenZusammenhang und denkt über ihre eigenen Methoden und Begriffe nach.Die Philosophie entringt sich dem Mythos und der Religion beziehungsweise derMystik, ohne dabei nur noch Einzelwissenschaft zu sein; und doch trägt sie dieSpuren all dieser in sich. Ihre Geschichte, schon in den Anfängen, spiegelt dasWechselspiel vielfältigster Durchdringung von rationalen und mythischen, religiösenund mystischen Motiven mit solchen der Einzelwissenschaften.Der Anfang allen Philosophierens – diesen Gedanken haben Sie bereits zu Beginndes Kurses in Lernheft kennen gelernt – ist Aristoteles zufolge das Staunen oder dasWundern: „Weil sie sich nämlich wunderten, haben die Menschen zuerst wie jetztnoch zu philosophieren begonnen; sie wunderten sich anfangs über das Unerklärliche,das ihnen entgegentrat.“ Dieses Unerklärliche waren aber zunächst für die Menschender Antike die Naturphänomene, die sie umgebende und beherrschende Welt, dieNaturgewalten und die Gestirne, das Werden und Vergehen und der Tod. So war diePhilosophie des Thales, des Pythagoras, der sich als Erster ‚Philosoph‘ nannte, desAnaximander oder des Heraklit, des Zenon oder des Demokrit in einem sehr weitgefassten Sinne Naturphilosophie.Im letzten Drittel des 5. Jahrhunderts v. Chr. vollzog sich ein Wandel in der philosophischen Spekulation, der im Auftreten einer der bedeutendsten philosophischenGestalten, nämlich der des Sokrates, gipfelte. Dieser Wandel bezeichnet denÜbergang von Beobachtung und Anschauung (theorein) der Natur zum Nachdenkenüber das Wesen des Menschen, der Gesellschaft und des richtigen Handelns und wieman dieses erkennt. Der Blick wendet sich vom gestirnten Himmel, dem Kosmos,nach innen: Der Gegenstand des Denkens ist nunmehr der Mensch selbst.Zunächst förderte das komplexer, vielfältiger und auch in seinen geistigen Anforderungen an den Bürger härter gewordene Leben in Griechenland die Entstehung einesneuen urbanen Ideals der geistigen Bildung, für deren Erlangung man Expertenbrauchte, Könner, die ihr Wissen und ihr Denken, ihre Rhetorik und ihre Anschauungen gegen Geld zur Verfügung stellten, Schulen gründeten und Vorträge hielten:die Sophisten (sophia Kunst im Sinne von Können, Weisheit). Im Unterschied zuden Naturphilosophen und Weisen untersuchten die Sophisten nicht die Natur,sondern die Kultur und ihre Gesetzmäßigkeiten. Sie dachten nicht spekulativ, indemsie in abstrakten Sätzen nach den hinter der Erscheinungswelt verborgenenPrinzipien, nach Ursprung und Einheit der Welt forschten, sondern induktiv, indem sievon der Erfahrungswelt ausgingen, vom alltäglichen Leben und den Fragestellungen,die dieses aufwarf. Sie wollten keine Schüler heranziehen, die dann wieder Philosophen wurden, sondern die Laien bilden.Im günstigsten Fall waren sie Aufklärer, die Bildung verbreiteten, erste Überlegungenzum Naturrecht (jeder Mensch hat von Natur aus bestimmte allgemeingültigeMenschenrechte) anstellten, über den Staat als einen formalen Vertrag untergleichberechtigten Einzelnen nachdachten, die um der Funktion des Ganzen willeneinzelne Rechte an den Staat abtraten (was später Rousseau als Contrat socialbezeichnete und als Modell moderner Gewaltenteilung ausformulierte). Zugleichwaren sie Skeptizisten, die den Menschen in seiner jeweiligen Verfassung zumMaßstab der Erkenntnis machten und eine objektive Erkenntnis ablehnten.Im ungünstigsten Falle waren sie daher totale Relativisten, die ihr Denken undKönnen jedem, der dafür zahlte, zur Verfügung stellten und die Philosophie alsWahrheit in Misskredit brachten: Sophismus ist bis heute ein Schimpfwort fürvertrackte Rhetorik. „Am Ende des 5. Jahrhunderts“, so schreibt Nestle, „hat die6

Rückblick: Vom Mythos zum LogosLernheft 35griechische Philosophie die Bahn, die vom Mythos zum Logos führt, schon vollständigzurückgelegt. Der gebildete Grieche hat sich der Autorität der Religion entwunden undmit seinem Denken auf eigene Füße gestellt.“35.2Zur Bedeutung des MythischenWas haben wir eigentlich heute noch von Mythen? Wir leben, zumindest im alltäglichen Leben, ein eher nüchternes und zu großen Teilen von rationalen Anforderungenbestimmtes Leben, das mit Blick auf das tägliche Funktionierenmüssen wenig Raumfür die anderweltlichen Elemente des Mythischen lässt. Und Transzendenz und dieÜberschreitung der Realität (beziehungsweise des in der Realität Möglichen) sind daswesentliche Gemeinsame, das alle Mythen verbindet. Welchen Platz hat aber derMythos in einer Welt, die keine Magie gelten lässt, die diese im Alltag auch schlechtgelten lassen kann?Das war in einer vorrationalen Welt, die noch an Götter und die Wirkkraft transzendenter Kräfte glaubte, natürlich ganz anders; der Mythos hatte eine dem Logosgleichrangige Bedeutung für das Leben. Logos und Technik erlaubten es denrömischen Ingenieuren und Handwerkern, eine riesige Flotte von Frachtschiffen zubauen, die einer Millionenstadt wie Rom zu dem dringend benötigten Getreide verhalf,das beispielsweise in Nordafrika angebaut wurde; der Mythos erklärte zufriedenstellend, warum alle Ingenieurs- und Handwerkskunst nicht half, wenn die Götterbeschlossen, die Flotte im Sturm zu versenken, um Rom einer Hungersnot zuüberantworten. Heutzutage, so Weinreich, hilft der Logos dabei, Schiffe zu bauen, dieunsinkbar sind; wenn sie dann doch auf dem Meeresboden landen, so ist es nichtmehr der Mythos, der tröstet, sondern die rational durchkalkulierte Versic

Dieses im Kontext der griechischen Geschichte vorgegebene (damit aber . die Vernunft bekräftigt. Der vernünftige Bürger befreit sich somit etwa von den Dogmen einer Priesterkaste oder den irrationalen Vorschriften politischer Tyrannen. (Darum waren . die Idee der Ausbildung der Persönlichkeit, für

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